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Im Fokus: SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann soll zurücktreten - findet zumindest eine Mehrheit der deutschen Wahlberechtigten.

© AFP

Politbarometer: Mehrheit der Deutschen für Rücktritt von Oppermann

In der Affäre um Sebastian Edathy fordern die Deutschen einen weiteren Rücktritt. Auch der Fraktionsvorsitzende der SPD im Bundestag soll gehen. Bei vielen anderen Fragen im aktuellen Politbarometer setzen die Wahlberechtigten allerdings auf Kontinuität. Richtig zufrieden sind sie mit der Regierungsarbeit trotzdem nicht.

Von Lutz Haverkamp

Den Rücktritt von Hans-Peter Friedrich als Bundeslandwirtschaftsminister im Fall Sebastian Edathy – gegen den SPD-Politiker wird wegen Kinderpornografie-Vorwürfen ermittelt – finden 53 Prozent der Deutschen richtig und 42 Prozent nicht richtig, wobei diesen Schritt neben 64 Prozent der Linke-, 68 Prozent der Grünen- und 67 Prozent der europakritischen AfD-Anhänger auch 51 Prozent der SPD- und 46 Prozent der CDU/CSU-Anhänger begrüßen. Der CSU-Politiker Friedrich stellte sein Amt zur Verfügung, nachdem bekannt wurde, dass er in seiner früheren Funktion als Innenminister SPD-Chef Sigmar Gabriel vor den drohenden Ermittlungen gewarnt hat.

Öffentlich gemacht hat den Vorgang SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann, wegen dessen Verhalten im Fall Edathy es ebenfalls Rücktritts-Forderungen gibt. Unter den Befragten sind 53 Prozent dafür und 37 Prozent dagegen, dass Oppermann zurücktreten und die sozialdemokratische Fraktionsspitze räumen soll, zehn Prozent wissen es nicht. "Oppermann soll zurücktreten" sagen dabei 63 Prozent der CDU/CSU-, aber nur 33 Prozent der SPD-Anhänger, außerdem hielten dies 54 Prozent der Linke-, 39 Prozent der Grünen- und 82 Prozent der AfD-Anhänger für angebracht.

Nur die Linke kann zulegen

Wäre am Sonntag Bundestagswahl, hätte die SPD leichte Verluste und die Linke würde etwas stärker, ansonsten gäbe es Kontinuität: Demnach erreichte die CDU/CSU in der Projektion unverändert 43 Prozent, die SPD läge bei 24 Prozent (minus eins) und die Linke bei zehn Prozent (plus eins). Die Grünen würden zehn, die FDP würde vier und die AfD ebenfalls vier Prozent erreichen, alle unverändert.

In der Woche nach Bekanntwerden des Falls Edathy und der darauf folgenden Regierungskrise sinken die Koalitionsparteien in der Leistungsbeurteilung deutlich ab. Für ihre gemeinsame Regierungstätigkeit werden CDU/CSU und SPD auf der +5/-5-Skala (sehr zufrieden bis sehr unzufrieden) nach durchschnittlich 0,8 und 0,9 im Januar jetzt nur noch mit 0,5 bewertet.

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© Tsp/Schmidt

Signifikant auch die Veränderung der Regierungs-Gesamtbilanz: Hier attestieren nach nur 16 Prozent Ende Januar jetzt 27 Prozent erheblich mehr Bundesbürger dem Kabinett "alles in allem" eher schlechte Arbeit. Gleichwohl sprechen - in erster Linie dank viel Lob aus den eigenen Reihen - mit insgesamt 63 Prozent die meisten von unterm Strich guter Arbeit der Bundesregierung. 

Vielen deutschen fehlt eine führungstarke Kanzlerin: Zwar hielten 45 Prozent der Befragten Merkel in den vergangenen Wochen für eher führungsstark, für 47 Prozent ist sie das aber eher nicht.

Ein Hauptgrund für die sinkende Zufriedenheit mit der Bundesregierung ist ganz offensichtlich das aktuell belastete Koalitionsklima. Schon zu Jahresbeginn sprach die klare Mehrheit der Deutschen von einem misslungenen schwarz-roten Start und nur 39 Prozent konstatierten damals ein überwiegend gutes Verhältnis zwischen den Regierungsparteien. Jetzt bewerten nur noch 31 Prozent das Verhältnis zwischen CDU, CSU und SPD eher positiv, wogegen 62 Prozent meinen, es sei "eher schlecht".

Angela Merkel verliert an Ansehen  

Doch selbst wenn das gegenwärtige Verhältnis zwischen den Koalitionären als konfliktbelastet gilt und zahlreiche Bürger hierbei auch für die Zukunft keine Besserung erwarten, rechnen nur 26 Prozent der Wahlberechtigten mit einem vorzeitigen Bruch von Schwarz-Rot, 69 Prozent glauben hingegen, dass die Regierung in dieser Konstellation bis 2017, also eine volle Legislaturperiode, bestehen wird.

Käme es dennoch zum vorzeitigen Aus, fänden 13 Prozent die Bildung einer schwarz-grünen Regierung und 13 Prozent die Bildung einer rot-rot-grünen Regierung am besten, 72 Prozent wären dann für Neuwahlen.

Die Mehrheit der zehn nach Meinung der Deutschen wichtigsten Politikerinnen und Politiker hat im Februar Ansehensverluste. Deutlich sind die Imageeinbußen bei Angela Merkel, Ursula von der Leyen und Andrea Nahles; außerdem verliert nun auch Sigmar Gabriel sehr klar an Reputation, nachdem sich der Vizekanzler - anders als die Regierungschefin oder die Verteidigungsministerin - seit dem Start der großen Koalition kontinuierlich verbessern konnte. Platz eins der Top Ten belegt wie gewohnt Merkel: Mit einem Durchschnittswert von 2,1 auf der +5/-5-Skala liegt sie jetzt relativ knapp vor Wolfang Schäuble (1,9) und Frank-Walter Steinmeier (1,7), die leicht beziehungsweise nur marginal verlieren. Platz vier und fünf behalten trotz jeweils schlechterer Note Sigmar Gabriel (0,9) und Ursula von der Leyen (0,8). Dann Thomas de Maizière (0,6), Peer Steinbrück (0,6), Gregor Gysi (0,5) und Horst Seehofer (0,5), beim Image alle unverändert. Neues Schlusslicht im Politbarometer-Ranking ist Andrea Nahles (0,1).

Mehrheit für Zuwanderung von Arbeitskräften

Wenn es ganz generell um die Zukunft unseres Landes geht, brauchen wir nach Ansicht von 58 Prozent der Deutschen die Zuwanderung ausländischer Arbeitskräfte, nach Meinung von 37 Prozent brauchen wir die nicht. Dass EU-Bürger frei wählen können, in welchem Land der Staatengemeinschaft sie leben und arbeiten möchten, finden 41 Proizent aller Befragten gut, 55 Prozent fänden es besser, wenn es innerhalb der Union, also auch bei uns in Deutschland, eine Begrenzung der Zuwanderung gäbe. "Begrenzung wäre besser als Freizügigkeit" sagen hierbei nur 30 Prozent der Grünen-Anhänger, bei SPD- bzw. Linke-Anhänger sind es 48 und 50 Prozent. Im CDU/CSU-Lager gibt es mit 56 Prozent eine sichtbare und im AfD-Lager mit 83 Prozent eine überdeutliche Mehrheit, die sich entgegen entsprechender Regeln der EU-Grundrechtecharta auch innerhalb der Union Zuwanderungs-Begrenzungen wünscht.

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© Tsp/Schmidt

Dass die Schweiz als Konsequenz aus einem – mit sehr knapper Stimmenmehrheit entschiedenen – Volksentscheid die Zuwanderung von Bürgern aus der Europäischen Union begrenzen will, finden bei uns in Deutschland 43 Prozent gut und 50 Prozent nicht gut. Doch während die Entscheidung unserer eidgenössischen Nachbarn auch bei uns polarisiert, gibt es in Sachen möglicher EU-Reaktionen ein klares Votum: Nur 25 Prozent der Deutschen fänden es gut, wenn die Staatengemeinschaft nun ihrerseits die Zusammenarbeit mit der Schweiz einschränkt, 69 Prozent sind gegen gemeinschaftliche Restriktionen in Richtung Alpenrepublik

Neben schwachem europapolitischem Interesse und einem vermeintlichen Informationsdefizit sagen zum jetzigen Zeitpunkt mit 72 Prozent fast drei Viertel der Deutschen, dass sie sich nur wenig oder gar nicht für die Europawahl interessieren, nur 27 Prozent bekunden an dieser über 28 Ländergrenzen hinweg stattfindenden Wahl eines gemeinsamen Parlamentes ausgeprägtes Interesse – neben diversen weiteren Ursachen ein Grund, weshalb auch jetzt wieder eine nur geringe Beteiligung bei dieser weltweit einzigartigen Abstimmung zu erwarten ist.  

FDP und AfD im Europaparlament

Wäre in Deutschland schon am kommenden Sonntag Europawahl, könnte die Union nach der Projektion – die neben Langfrist-Bindungen vor allem auch das spezifische Beteiligungs- und Abstimmungsverhalten auf dieser Wahlebene beachtet - mit 40 Prozent der Stimmen rechnen. Die SPD, bereits bei den Europawahlen 2009 und 2004 äußerst schwach, käme auf nur 24 Prozent. Die Grünen würden zwölf, die Linke acht Prozent erreichen. Die FDP mit vier Prozent und die AfD mit sechs Prozent erzielten bei der auf drei Prozent gesenkten Sperrklausel zum jetzigen Zeitpunkt für Brüssel und Straßburg Mandate. 

Vom 18. bis 20.02.2014 hat die Forschungsgruppe Wahlen im Auftrag des ZDF und des Tagesspiegels 1219 zufällig ausgewählte Wahlberechtigte in Deutschland telefonisch befragt. Der Fehlerbereich beträgt bei 1250 Befragten und einem Parteianteil von 40 Prozent rund +/- drei Prozentpunkte und bei einem Parteianteil von zehn Prozent rund +/- zwei Prozentpunkte.  

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