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Politik: Politik und Verbrechen

Von Harald Martenstein

Ich möchte eine Frage beantworten, die im Zusammenhang mit dem Fall Filbinger/Oettinger, aber auch im Zusammenhang mit der aktuellen RAF-Diskussion immer wieder gestellt wird. Sie heißt: Warum werden rechter und linker Terror bei uns eigentlich unterschiedlich beurteilt, warum sind die NPD und jegliche Verharmlosung des Nationalsozialismus gesellschaftlich tabu, während PDS, Verharmlosung der SED, auch Sympathien für die RAF bei weitem nicht im gleichen Maß tabuisiert sind?

Die Antwort ist einfach. Es handelt sich um Verbrechen unterschiedlicher Größenordnung. Versuchte Welteroberung und Ausrottung ganzer Völker sind schon etwas sehr Besonderes. Dies zu sagen, bedeutet keine Bagatellisierung von DDR-Unrecht oder von RAF-Verbrechen. Aber es sind trotzdem verschiedene Dinge. Wer in einem Strafprozess zwischen Mord und Totschlag differenziert, bringt damit ja auch keine Billigung oder Bagatellisierung des Totschlags zum Ausdruck.

Die Aussage, dass die NS-Verbrechen etwas historisch Einmaliges seien, ist zu einem Teil der deutschen Staatsräson geworden, ein weltlich-religiöses Dogma, das anzuzweifeln politisch tödlich sein kann. Man kann aber nicht sagen „Auschwitz war ein einmaliger Zivilisationsbruch“, dann tief Luft holen und im nächsten Satz erklären: „Die DDR, Nazideutschland und die RAF sind ungefähr das Gleiche.“ Das funktioniert nicht, obwohl törichte Kommentatoren diesen Logik-Looping gelegentlich vorführen.

Die Konservativen haben in Deutschland tatsächlich einen Wettbewerbsnachteil. Weil bei uns das Rechtsradikale stärker tabuisiert ist als das Linksradikale, stehen sie unter permanentem Abgrenzungsdruck. Es gibt, rechts von ihnen, nichts politisch Salonfähiges, während es links zum Beispiel die Linkspartei gibt, die regieren darf, trotz ihres kommunistischen Flügels. Darüber klagen Konservative oft. Aber wer den Satz „Linksextrem und Rechtsextrem sind gleich zu bewerten“ schreibt, der streicht nun einmal im gleichen Augenblick den Satz „Auschwitz war ein einmaliges Verbrechen“. Soll man diesen Satz streichen? Ich finde: nein. Er enthält nicht nur die deutlichste mögliche Abgrenzung, sondern auch, so paradox es klingt, die Hoffnung auf ein Nie-wieder. Dass es in Deutschland nie wieder politische Morde gibt, ist ein unrealistischer Gedanke, beim Einmaligen aber darf man denken, dass es einmalig bleibt.

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