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Politiker-Reisen: Kritik an Westerwelle gefährdet laut FDP die Demokratie

FDP-Generalsekretär Lindner hat den Bundesaußenminister gegen den Vorwurf der Günstlingswirtschaft verteidigt. Er sieht in der Kritik eine "Diffamierungskampagne".

Seit einer Woche steht Außenminister und Vizekanzler Guido Westerwelle wegen der Zusammensetzung seiner Reisebegleitung unter Druck. Sowohl die Zusammensetzung der Delegation einer Asienreise im Januar als auch die derzeitige Tour durch Südamerika sorgt für Fragen. Nun hat sich erstmals Bundeskanzlerin Angela Merkel geäußert – und ihrem Vize zwar den Rücken gestärkt, dies aber betont nüchtern und mit Verweis auf die Eigenständigkeit der Ministerien.

Merkel nahm ihren Vize damit nur halbherzig gegen Vorwürfe der Günstlingswirtschaft in Schutz. Die Kanzlerin sei überzeugt, dass Westerwelle die ihn begleitenden Wirtschaftsdelegationen in Übereinstimmung mit den geltenden Regeln ausgewählt habe, sagte die stellvertretende Regierungssprecherin Sabine Heimbach. Dies gelte auch für die besonders kritisierte Asienreise Westerwelles im Januar. Im Übrigen sei die Kanzlerin davon überzeugt, dass der Außenminister bei der Zusammenstellung seiner Begleitung "in Übereinstimmung mit den Regeln und Usancen" vorgegangen sei. Sie wies darauf hin, dass darüber jeder Minister selbst entscheide.

Ein wesentliches Kriterium zur Auswahl von Managern für eine Wirtschaftsdelegation sei ihre Bedeutung und die Frage, wie weit ihre Projekte im Zielland bereits konkretisiert seien, sagte Heimbach. Die Reisen würden im Vorfeld bekannt gemacht, und die Wirtschaftsverbände könnten dann Vorschläge für Mitreisende unterbreiten. Die letzte Entscheidung über die Besetzung der Wirtschaftsdelegation treffe der Minister.

Grund der Debatte ist zunächst die viertägige Auslandsreise von Westerwelle Mitte Januar nach Japan und China. Begleitet wurde er von einer zehn Unternehmer umfassenden Wirtschaftsdelegation. Dazu gehörte auch Ralf Marohn, Mehrheitseigner und Geschäftsführer der Firma Far Eastern Fernost Beratungs- und Handels GmbH. Anteilseigner des Ludwigshafener Unternehmens ist neben Marohn auch Westerwelles Bruder Kai.

Ein weiterer Miteigentümer der Firma ist die Mountain Partners AG aus der Schweiz. Das Unternehmen gehört dem Westerwelle-Freund und FDP-Großspender Cornelius Boersch, der ebenfalls zusammen mit dem Außenminister nach Asien gereist ist. Boerschs Mountain Partners AG unterhält seit Jahren geschäftliche Kontakte mit den Westerwelle-Brüdern.

Die Financial Times Deutschland berichtet unterdessen, Westerwelle habe auf seine Antrittsreise in die Türkei im Januar eine unbekannte Künstlerin aus seinem Bonner Wahlkreis als Sondergast auf Staatskosten mitgenommen. Es handle sich um Nutren Schlinkert, die Ehefrau des geschäftsführenden Gesellschafters des Meinungsforschungsinstituts Dimap. Auf Anfrage habe das Auswärtige Amt allerdings nicht erklären können, auf welchem Gebiet sie künstlerisch aktiv ist. Schlinkert sei stellvertretendes Mitglied auf der FDP-Liste im Kulturausschuss der Stadt Bonn. Mit der Reise habe Westerwelle ein privates Versprechen an Schlinkert eingelöst.

Rückendeckung erhält der Außenminister vor allem seitens seiner Partei FDP. Die Kritik, der Parteichef verbinde auf Auslandsreisen private und dienstliche Aspekte, sei eine "Diffamierungskampagne", sagte Generalsekretär Christian Lindner im ZDF. Er sieht durch die "Diffamierungskampagne" gegen Westerwelle die Demokratie gefährdet. "Wir müssen aufpassen, dass die Demokratie insgesamt nicht Schaden nimmt durch solche Vorwürfe, die konstruiert sind." Die erhobenen Vorwürfe wertete Lindner als Retourkutsche für die von Westerwelle angestoßene Hartz-IV-Debatte über die Verantwortung des Sozialstaats für Hartz-IV-Empfänger. "Das ist für viele unbequem", sagte er.

Lindner ging auch auf den Vorwurf ein, dass der Geschäftsführer einer Firma von Westerwelles Bruder den Außenminister nach Japan und China begleitet habe. Geschäftsführer Marohn sei auch vom rheinland-pfälzischen SPD-Wirtschaftsminister zu einer Reise nach Asien eingeladen, sagte er. "Warum darf sich der Außenminister nicht der offensichtlich bestehenden Expertise eines Mannes bedienen, nur weil sein Bruder einen Mini-Anteil an dessen Unternehmen hält?", sagte Lindner. "Das ist unverhältnismäßig."

Lindner bekräftigte die Behauptung, dass Marohn als Asien-Experte auch bereits den Mainzer SPD-Ministerpräsidenten Kurt Beck dorthin begleitet habe. "Es gibt ja Fotos", führte er als Beleg an. Die Mainzer Staatskanzlei hatte dem widersprochen. Sie legte auch die Teilnehmerliste der betreffenden Reise von 1999 vor, auf der der damals offensichtlich direkt in China tätige Ralf Marohn nicht stand. Er verwies in dem Zusammenhang auf den heutigen SPD-Chef und früheren niedersächsischen Ministerpräsident Sigmar Gabriel, der sich für das VW-Gesetz stark gemacht hatte und später bei dem Eigner des Autoherstellers Volkswagen einen persönlichen Beratervertrag über 130.000 Euro erhalten habe.

Westerwelle war bereits in den vergangenen Tagen in die Kritik geraten, weil sein Lebensgefährte, der Unternehmer Michael Mronz, ihn derzeit schon das zweite Mal auf einer Auslandsreise begleitet. Ihm wird vorgehalten, sein Lebenspartner Michael Mronz könne solche Reisen auch zur Anbahnung von eigenen Geschäften nutzen. Der Event- und PR-Manager, der auf die Vermarktung von großen Sportereignissen spezialisiert ist, hatte den Vizekanzler auch nach Südamerika begleitet. In Brasilien finden 2014 die Fußball-WM und zwei Jahre später die Olympischen Spiele statt.

Dass Außenminister ihre Lebensgefährten mitnehmen, entspricht zwar durchaus den Regularien des Auswärtigen Amtes, allerdings hatten Westerwelles Vorgänger von der Möglichkeit nur äußerst sparsam Gebrauch gemacht.

Quelle: ZEIT ONLINE, dpa, AFP

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