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Politik: Politischer Klimawechsel

Das Bundesumweltministerium wird 20 – die Behörde wirkte kontinuierlicher, als zu erwarten war

Berlin - Es war sechs Wochen nach der Atomkatastrophe von Tschernobyl und stand mit ihr in engem Zusammenhang: Walter Wallmann (CDU) nahm seine Arbeit als erster deutscher Umweltminister auf. An diesem Dienstag, genau 20 Jahre später, feiert das junge Ministerium seinen Geburtstag. Mit rund 800 Beschäftigten auf 695 Stellen und einem Anteil am Bundeshaushalt von 0,3 Prozent „ist das Umweltministerium immer noch ein vergleichsweise kleines Ressort“, schreibt der Umweltforscher Martin Jänicke in einer kleinen Festschrift aus wissenschaftlicher Sicht. Nach 20 Jahren zweifelt kaum noch jemand am Nutzen des Ministeriums – den Bundesverband der Deutschen Industrie einmal ausgenommen. Im Gegenteil, es gibt von allen Seiten Lob für das Haus – und seine Minister.

In einem immerhin 496 Seiten starken Buch mit dem Titel „Die Umweltmacher“ kommen diese Minister alle selbst zu Wort. Wallmann, der elf Monate nach seinem Amtsantritt Ministerpräsident in Hessen wurde, beschreibt seine Amtszeit als „unaufhörliches Krisenmanagement“. Kein Wunder: Nachdem Innenminister Friedrich Zimmermann (CSU), dem der Umweltbereich zugeordnet worden war, von der Öffentlichkeit zunehmend als Abwiegler der Folgen der Tschernobyl-Katastrophe wahrgenommen worden war, zog Bundeskanzler Helmut Kohl (CDU) die Notbremse und berief Wallmann. Der beschreibt seine Arbeit so: „In dieser aufgewühlten Atmosphäre sah ich meine vordringliche politische Aufgabe darin, die Debatte über die friedliche Nutzung der Atomenergie wieder in rationale Bahnen zu lenken.“ Das sei ihm allerdings vom damaligen Umweltminister in Hessen, dem Grünen Joschka Fischer, nicht gerade leicht gemacht worden, weil dieser „Zweifel an der Sicherheit der Hanauer Brennelementefabriken für eine systematische Kampagne instrumentalisierte“.

Wallmanns Nachfolger Klaus Töpfer (CDU) lüftet in seinem Beitrag ein lang gehütetes Geheimnis: Er sei 1988 nicht in den Rhein gesprungen, um zu beweisen, dass das Wasser wieder sauber sei. Tatsächlich habe er eine Wette verloren. „Entgegen aller guten Ratschläge erfüllte ich die Wette und sprang in den Rhein“, schreibt Töpfer. Seine Bilanz als Umweltminister (1987 bis 1994) gilt bei Umweltschützern, aber auch international als schwer einholbar. Töpfer nennt seine Amtszeit selbst „eine produktive Zeit für die Umweltpolitik“, die ihren Höhepunkt im „Gipfel des Optimismus“ beim Erdgipfel in Rio 1992 erlebte.

Angela Merkel (CDU), die das Amt bis 1998 weiterführte, beschreibt in ihrem Beitrag nun als Bundeskanzlerin, warum Deutschland auch in Zukunft eine Vorreiterrolle im internationalen Klimaschutz spielen muss. Ihre Sternstunde hatte Merkel beim Klimagipfel in Berlin, bei dem die Grundlage für das Kyoto-Protokoll gelegt wurde. Niemand würde ein böses Wort über ihre Leistungen in der internationalen Klimadiplomatie verlieren. Innenpolitisch tat sie sich gegen Ende ihrer Amtszeit schwerer.

Jürgen Trittin (Grüne), der Merkel bis zum Regierungswechsel 2005 folgte, ist überzeugt, dass die Konflikte in der Umweltpolitik während seiner Amtszeit „ein Streit über das Tempo von Innovationen“ gewesen seien. Anhand des Konflikts um die Altautoverordnung, die Trittin auf Geheiß seines Kanzlers Gerhard Schröder (SPD) in Brüssel blockieren musste, beschreibt er die Bemühungen der Lobby um „Stillstand“ – bis hin zu „spätabendlichen Anrufen“ des damaligen VW-Chefs Ferdinand Piëch. Trittin spottet, es sei der Lobby immerhin gelungen, die Verordnung um drei Monate aufzuhalten. „Von negativen Folgen für die deutsche Autoindustrie hat man nie wieder etwas gehört“, schreibt er. Sigmar Gabriel (SPD), der den Staffelstab 2005 übernommen hat, sieht das Umweltministerium noch mehr als seine Vorgänger als „Innovationsministerium“. Martin Jänicke schreibt in seiner Bilanz: „Die Politik des Hauses hat mehr Kontinuität bewiesen, als im Wechsel der Regierungskonstellationen zu erwarten war.“

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