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Polizeiaffäre Sachsen-Anhalt: Protokoll über einen unliebsamen Beamten

Im Magdeburger Untersuchungsausschuss kommen seltsame Praktiken des Innenministeriums zur Sprache. Es geht um einen Polizisten, der sich kritisch über Vorgänge in seinem Bundesland äußerte. Nun steht der Verdacht im Raum, dass er bespitzelt wurde.

Von Frank Jansen

Ein seltenes Bild im Untersuchungsausschuss zur Polizeiaffäre in Sachsen-Anhalt: Abgeordnete von Opposition und Koalition sind gleichermaßen empört. Was sie am Montag zu hören bekommen, ruft heftige Reaktionen hervor. „Das erinnert mich an Stasi-Methoden“, sagt FDP-Mann Guido Kosmehl, der CDU-Abgeordnete Siegfried Borgwardt sieht eine „neue Dimension“ in der sowieso schon wuchernden Polizeiaffäre. Zuvor hat der Kriminaloberkommissar Swen Ennullat als Zeuge berichtet, wie ihn Kollegen nach einem Privatgespräch denunzierten – und welchen Gebrauch das Innenministerium davon machte. Amtsinhaber Holger Hövelmann (SPD) gerät nun weiter unter Druck. Im Ausschuss kursiert der Verdacht, ein kritischer Beamter sei bespitzelt worden.

Nach der Aussage Ennullats und Angaben des Ministeriums vom Dienstag ergibt sich folgendes Bild: Im November unterhielt sich Ennullat beim Abendessen in der Polizeiakademie Niedersachsen, wo er eine Aufstiegsausbildung absolvierte, mit anderen Beamten aus Sachsen-Anhalt über den Fall Oury Jalloh. Der Afrikaner war im Januar 2005 in einer Dessauer Polizeizelle, an Händen und Füßen gefesselt, verbrannt. Zwei Polizisten stehen in Halle vor Gericht, die Anklage lautet auf fahrlässige Tötung beziehungsweise Körperverletzung mit Todesfolge. Ennullat äußerte sich bei dem Essen in Hannoversch Münden kritisch über die Rolle der Polizei im Fall Jalloh.

Zwei Beamte wandten sich dann ans Innenministerium in Magdeburg – ohne das Wissen Ennullats. Laut Ministerium erging die „Bitte“ an die Polizisten, ein Protokoll über das Gespräch anzufertigen. In dem Vermerk, im Januar geschrieben, wird Ennullat beschuldigt, er habe gesagt, in Sachsen-Anhalt würden „Schwarzafrikaner von der Polizei in der Zelle verbrannt“. Und er habe behauptet, ein Feuerzeug sei erst „nachträglich“ in der Zelle gefunden worden, zuvor habe die Tatortgruppe des Landeskriminalamt keines entdeckt. Vor dem Untersuchungsausschuss darf Ennullat nicht sagen, ob er sich so geäußert hat. Die Aussagegenehmigung reicht nicht.

Das Protokoll reichte das Ministerium an die Staatsanwaltschaft Dessau weiter, die es kürzlich in den Oury-Jalloh-Prozess einführte. Ennullat wurde vom Ministerium weder gehört noch informiert. Obwohl dort das Protokoll so wichtig erscheint, dass Staatssekretär Rüdiger Erben und der Leiter der Polizeiabteilung, Klaus-Dieter Liebau, es abgezeichnet haben. Was Minister Hövelmann wusste, bleibt offen. Ennullat erfuhr erst spät von einem Kollegen, was sich abspielte.

Das Ministerium weist den Vorwurf der Spitzelei zurück und sagt, wenn ein Polizist Kenntnisse vorbringe, „die zur Aufklärung eines Tötungsdelikts führen können, haben sowohl seine Kollegen als auch vorgesetzte Behörden die Pflicht, diese Information der Staatsanwaltschaft zugänglich zu machen“. Doch vor allem die Abgeordneten der Oppositionsparteien Die Linke und FDP empfinden das Verhalten des Ministeriums als Racheakt. Der frühere Staatsschützer Ennullat und seine Kollegen Sven Gratzik und Christian Kappert haben die Polizeiaffäre ins Rollen gebracht. Die Beamten hatten sich im Februar 2007 geweigert, dem Drängen des damaligen Vizechefs der Direktion Dessau nachzugeben, die Bekämpfung rechter Kriminalität zu bremsen. Seit September befasst sich der Untersuchungsausschuss mit dem Fall und weiteren. Ennullat und seine zwei Kollegen haben inzwischen, trotz sehr guter Beurteilung, den Staatsschutz verlassen.

Im Ausschuss tritt am Montag auch Ex-Staatsschützer Gratzik auf. Er sagt, kurz nach Jallohs Tod habe ein Polizeioberrat der Direktion Halle bei einer Besprechung leitender Beamter gesagt: „Schwarze brennen nun mal länger.“ Nach Informationen des Tagesspiegels erhielt der Oberrat nur einen Verweis. Ein Kollege, der sich beschwert hatte, wurde mit anonymen Anrufen bedroht. Entnervt ließ er sich nach Dessau versetzen.

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