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Update

Polizeibericht: Mindestens 80 Tote bei Anschlag auf Zug im Osten Indiens

Bei einem mutmaßlichen Anschlag von maoistischen Rebellen auf einen Zug im Osten Indiens sind nach Polizeiangaben mindestens 65 Menschen ums Leben gekommen.

Die meisten Passagiere schlafen, als der Fernzug "Gyaneshwari Express" gegen 1.30 Uhr nachts etwa 150 Kilometer westlich von Kalkutta entgleist und mit einem Güterzug kollidiert. Mindestens 80 Menschen sterben, weitere 200 werden verletzt, die Zahl der Opfer könne noch weiter steigen, sagte ein Minister des Bundesstaates Westbengalen am Freitag: Knapp acht Wochen nach dem Massaker an 76 Polizisten hat ein neuer mutmaßlicher Anschlag Indien geschockt. Die Behörden sehen erneut die aufständischen Maoisten am Werk. Sie sollen ein 46 Zentimeter langes Stück aus den Gleisen herausgeschnitten haben.

Es wäre einer der blutigsten Anschläge auf Zivilisten seit Beginn des bewaffneten Aufstands vor mehr als 30 Jahren. Angeblich bekannte sich eine von den Maoisten unterstütze Rebellengruppe namens Volkskomitee gegen Polizeigewalt (PCPA) zu der Tat. Am Tatort seien zwei Flugblätter der lokalen PCPA-Miliz gefunden worden, sagte Polizeidirektor Bhupinder Singh. "In den Postern haben sie die Verantwortung für die Tat übernommen". Doch Mehrere Stunden später rief der PCPA-Sprecher Asit Mahato die indische Nachrichtenagentur PTI an und wies jede Verantwortung für die Tat zurück: "Wir waren in keiner Weise beteiligt. Das ist nicht unsere Tat".

Bahnministerin Mamata Banerjee sprach sogar von einem Bombenanschlag, der den Zug aus den Gleisen warf. Die Ministerin wurde im Sender NDTV mit den Worten zitiert, die Maoisten hätten die Tage vom 28. bis zum 31. Mai zu Schwarzen Tagen erklärt. Die Bahn habe daraufhin die Sicherheitsmaßnahmen erhöht. So sei auch die Strecke des Expresszugs erst eine Stunde vor dem Anschlag überprüft worden.

Indiens vergessener Krieg erreicht einen neuen, blutigen Höhepunkt

Der Fernzug "Gyaneshwari Express" war von Kalkutta nach Mumbai unterwegs, als sich in der Nacht im Bezirk West Midnapore im Bundesstaat Westbengalen das Unglück ereignete. West-Bengalen gilt als eine der Hochburgen der Maoisten. 13 Waggons des Schnellzuges stürzten auf ein Parallelgleis, wo sie von einem entgegenkommenden Güterzug erfasst wurden. Zehn der entgleisten Waggons waren Schlafwagen, mehrere Waggons verkeilten sich völlig ineinander. Noch am Freitagnachmittag, 14 Stunden später, waren verzweifelte Hilferufe aus ihnen zu hören, berichteten Reporter. Rettungskräfte versuchten, Überlebende aus den Trümmern zu bergen, die unter den zerbeulten Waggongs begraben waren. Armeehubschrauber waren im Einsatz, um Verletzte in umliegende Krankenhäuser zu bringen.

Mit der Attacke auf den Zug hat Indiens vergessener Krieg einen neuen, blutigen Höhepunkt erreicht. Anschläge auf Zivilisten waren bisher eigentlich nicht typisch für die Mao-Guerillas, die eine kommunische Volksrepublik in Indien errichten wollen und vorgeben für die entrechtete Landbevölkerung zu kämpfen. Sie rekrutieren ihre Kämpfer vor allem aus den bitterarmen Ureinwohnern, Adivasis genannt. Etwa 10.000 bis 20.000 Rebellen sind in zahlreichen Untergruppen organisiert. Sie agieren vorzugsweise von Dschungelcamps aus, wo die Kämpfer im Umgang mit Waffen und auch ideologisch geschult werden. Nach offiziellen Angaben operieren die Bewaffneten in 200 der 626 indischen Distrikte und kontrollieren 34 davon.

Bisher richteten sich ihre Anschläge gegen Sicherheitskräfte und staatliche Einrichtungen wie Polizeistationen, Regierungsgebäude, Telefon- oder Strommasten und ähnliches. Im März war allerdings bereits der Hochgeschwindigkeitszuges "Rajdhani Express" engleist. Auch für diese Tat werden die Maoisten verantwortlich gemacht. Im Bundesstaat Chhattisgarh hatten Maoisten kürzlich einen Bus in die Luft gesprengt und dabei 35 Menschen getötet, am 6. April 76 Polizisten. Die maoistischen Rebellen verstärkten in den vergangenen Monaten ihre Angriffe, nachdem die Regierung im Herbst eine Offensive gegen die „größte Gefahr für die innere Sicherheit Indiens“, wie Premierminister Manmohan Singh meint, gestartet hatte. Der Anschlag auf die Zugpassagiere dürfte die Fronten weiter verhärten und noch mehr Zorn gegen die Aufständischen schüren.

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