zum Hauptinhalt

Politik: Polizisten als Schlepper?

Nach dem Flüchtlingsdrama in der Adria gibt es erste Festnahmen: In Albanien stehen auch Angehörige der Sicherheitskräfte unter Verdacht

Jeder der 30 Flüchtlinge aus Albanien hatte 1800 Dollar für die Überfahrt von Capo Linguetta an der albanischen Küste nach Otranto im süditalienischen Apulien gezahlt. Viel Geld für Albaner, die monatlich im Durchschnitt rund 200 Dollar verdienen. Kurz nach der Abfahrt des großen Schlauchbootes am Freitagnachmittag gegen 17 Uhr 30 kam es zu einem Motorschaden. Das Boot sank bei hohem Wellengang und riss mindestens 20 der Flüchtlinge in den Tod. Dass die übrigen rechtzeitig gerettet werden konnten, ist einem Telefonanruf zu verdanken. Einer der beiden Bootsfahrer, die der Flüchtlingsmafia angehören, rief per Handy den albanischen Privat-TV-Sender „Top Channel“ an und bat um Hilfe. Die halberfrorenen Überlebenden konnten so geborgen werden.

Italiens Innenminister Giuseppe Pisanu und Mitglieder der albanischen Regierung bedauerten am Wochenende die Toten des neuen Flüchtlingsdramas. Gleichzeitig wiesen sie aber darauf hin, dass es sich bei diesem Unglück um eine Ausnahme handelt. Aufgrund verschiedener bilateraler Abkommen zwischen Rom und Tirana hat der Menschenhandel zwischen beiden Staaten im letzten Jahr deutlich abgenommen. 2003 verhaftete die italienische Polizei nur 137 Flüchtlinge, die über die Adria gekommen waren. Im Jahr davor waren es noch 3372, und im Jahr 2000 immerhin 18 990.

Albaniens Präsident Alfred Moisiu sprach nach dem Drama von einem „entsetzlichen Einzelfall, der verdeutlicht, dass dieses unnütze Sterben in der letzten Zeit verringert werden konnte“. Moisiu forderte aber seine Regierung auf, mehr Einsatz im Kampf gegen jene Mafiaclans zu zeigen, die über die Adria nicht nur Menschen, sondern auch Waffen und Drogen zunächst nach Italien und dann weiter nach Nordeuropa transportieren.

Moisiu sprach sich in diesem Zusammenhang für ein hartes Vorgehen gegen die Verantwortlichen aus. So wurden am Wochenende nicht nur die beiden Mafiaangehörigen verhaftet, die sich auf dem gekenterten Schlauchboot befanden, sondern auch deren Verwandte, die bei der Polizei und bei einer Anti-Terroreinheit arbeiteten. Ihnen wird vorgeworfen, mit der Flüchtlingsmafia zusammenzuarbeiten.

Piero Luigi Vigna, Italiens Antimafia-Polizeichef, geht auf Grund seiner Ermittlungen davon aus, dass sich der Handel mit Drogen über die Adria nach Italien intensiviert hat. Er schließt nicht aus, dass auch der Menschenhandel von neuem beginnen könnte. Vigna beunruhigt es, dass die Drogenkartelle aus dem kolumbianischen Medellin in Albanien Fuß gefasst haben und einen wachsenden Teil des Drogen- und Menschenhandels kontrollieren. Das verleihe „diesen kriminellen Aktivitäten eine ganz neue Dimension“, sagt Vigna. Der Polizeichef fordert, dass die albanischen Behörden genauer darüber wachen sollten, ob Küstenpolizisten von der Mafia mit Schmiergeldern bestochen werden, um bei der Verschiffung von Drogen und Menschen behilflich zu sein.

Thomas Migge[Rom]

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false