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Abdullah Kenan Karaca, stellvertretender Spielleiter in Oberammergau

© dpa

Abdullah Kenan Karaca: „Ich trage meine Religion nicht vor mir her“

Abdullah Kenan Karaca ist Muslim - und stellvertretender Spielleiter der Passionsspiele in Oberammergau. Wie das zusammenpasst? Sehr gut!

Die Revolution kam in mehreren Schüben ins katholische Oberammergau: 1990 spielte zum ersten Mal ein Protestant die Hauptrolle bei den Passionsspielen, seit 2000 dürfen ortsansässige Muslime mitmachen. 2020 wird Abdullah Kenan Karaca stellvertretender Spielleiter des Bibel-Spektakels. Der Gemeinderat des Dorfes mit seinen 5000 Einwohnern stimmte 13:5 zu.

Karaca ist Sohn eines türkischen Werkzeugmachers, der es in Oberammergau zum Betreiber einer Gaststätte brachte. Er ist in der Nachbarschaft des Passionstheaters aufgewachsen und schaute schon als Junge bei den Proben zu. Besonders die Massenauftritte beeindruckten ihn. Da macht das halbe Dorf mit.

Spielleiter Christian Stückl war von der Stimme des Jungen begeistert und sprach mit dem Vater. Nach einigen Überredungskünsten sagte der Türke schließlich zu Stückl: „Soll er mitspielen. Aber mach ihn mir nicht katholisch.“ Als Karaca mit zehn Jahren endlich auf der Bühne stand, fühlte er sich zum ersten Mal richtig als Teil der Gemeinschaft – „ein kleines Rädchen nur, aber ich war stolz“.

Alle zehn Jahre wird Leben und Sterben Jesu Christi auf die Bühne gebracht

Die Oberammergauer gelobten 1633, Leben und Sterben Jesu Christi alle zehn Jahre auf die Bühne zu bringen, wenn Gott das Dorf von der Pest verschone. Der Deal gelang. 2020 ist es wieder so weit. Abdullah Kenan Karaca ist 26, studiert Regie an der Hamburger Hochschule für Musik und Theater und arbeitet bei Christian Stückl am Münchner Volkstheater als Regieassistent. Seine Dramatisierung des Romans „Arabboy“ wurde ein Erfolg. Momentan läuft in Oberammergau seine Version von „Romeo und Julia“. Wenn einer etwas Schlimmes durchmache, dann interessiere ihn das, hat er mal gesagt. Egal ob das ein Araber ist, Woyzeck oder Jesus.

Jesus kommt ja auch im Koran vor, Muslime verehren ihn als einen Propheten. Dass er Gottes Sohn sein soll, wie es Christen glauben, leuchtet ihnen nicht ein. Ebenso wenig, dass er am Kreuz gestorben sein soll, und das auch noch zum Heil der Menschheit. Aber da steigen auch viele Christen heute aus. Er wolle die Kreuzigung so auf die Bühne bringen, dass alle etwas davon haben, auch die, die mit Religion nichts anfangen könnten, sagt Karaca. Mit Christian Stückl spreche er viel über Religion und was sie für Menschen bedeute. Dass er Muslim ist, trage er aber nicht vor sich her. Denn schwierig werde es immer dann, wenn Leute meinten, sie hätten die einzig richtige Wahrheit gefunden.

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