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Porträt: „Im Himmel ist Jahrmarkt“

Thomas de Maiziere, Chef des Bundeskanzleramts, steht in der Korruptionsaffäre in der sächsischen Justiz zunehmend unter Druck.

Von Robert Birnbaum

Die Stellenanzeige für seinen Job müsste ungefähr so lauten: „Bundesregierung sucht leidensfähigen Kurzschläfer mit gutem Gedächtnis und Steno-Kenntnissen. Verschwiegenheit wird erwartet, die Fähigkeit, sich bei Sitzungen in Zimmerecken unsichtbar zu machen, wäre praktisch.“ Angela Merkel hat den Posten ihres Kanzleramtschefs allerdings nie ausgeschrieben, im Gegenteil. Thomas de Maizière war selbst verblüfft, als ihn vor zweieinhalb Jahren das Angebot aus Berlin erreichte. Seither ist der Jurist im Kanzleramt das, was er fast sein ganzes politisches Leben hindurch war, vom Mitarbeiter Richard von Weizsäckers in Berlin bis zum Staatskanzleichef der großen Koalition in Mecklenburg-Vorpommern: Zentrale Schnittstelle zwischen Apparat und Politik.

In der Ahnenreihe der Kanzleramtschefs fällt der gebürtige Bonner eher unter die „Politischen“. Dem Koalitionspartner SPD passt das nicht immer, tritt de Maizière doch öffentlich nicht als Stimme der Regierung auf, sondern als CDU-Mann, und das in dezidierter Wortwahl. Ohnehin hält de Maizière wenig von diplomatischem Plauderton. „Ja, ja, im Himmel ist Jahrmarkt!“, bescheidet er gerne mal Leute, die ihm nicht realpolitisch genug zu Werke gehen.

Realpolitik – von der Abstimmung zwischen Bund und Ländern über die Vorbereitung von Kabinetts- und Koalitionsrunden bis zur Kontaktpflege in die Verbandslandschaft – prägt seinen gesamten Aufgabenbereich. Der ist in den zweieinhalb Jahren seiner Amtszeit stetig gewachsen. Manches, was anfangs Merkel selbst an sich gezogen hat, erledigt jetzt de Maizière. Bei Streit zwischen Ministern etwa und kleineren Koalitionskonflikten organisiert er Verständigungsprozesse; erst wenn es ernst wird, greift die Kanzlerin ein. Freilich ist de Maizière weit von der zentralen Rolle entfernt, die sein Vorgänger Frank-Walter Steinmeier für Gerhard Schröder hatte. Dafür ist die Kanzlerin Merkel, anders als ihr Vorgänger, viel zu gern auch mit den Details wichtiger politischer Fragen selbst vertraut.

Zu de Maizières Aufgaben zählt übrigens ein Bereich, für den er schon in seinem vorigen Job als Innenminister in Sachsen landespolitisch die Verantwortung trug: die Aufsicht über die Geheimdienste. Etwas unangenehm daher, dass in der Sachsen-Mafiaaffäre der Vorwurf laut wird, er habe damals Erkenntnisse der Dienste für sich behalten. Doch die Vorwürfe sind vage. Darum muss er sich noch nicht kümmern.

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