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Politik: Posaune gegen Mopp

Die Londoner Bürgermeisterwahl gilt als Test für britische Unterhauswahlen

Von Markus Hesselmann

Am Ende sollen die drei Kandidaten ihr Programm in fünf Worten zusammenfassen. Zwei sagen Dinge wie „mehr Sicherheit“ oder „besser angelegtes Steuergeld“. Einer sagt: „Wählen Sie mich, ich bin es wert.“ Diese mehr als fünf Wörter, ein kleiner Regelbruch muss großen Männern erlaubt sein, charakterisieren Ken Livingstone. Seine Botschaft besteht vor allem aus ihm selbst und seiner achtjährigen Erfahrung als Bürgermeister der 7,5 Millionen Londoner. Doch jetzt muss er sich wieder zur Wahl stellen, und da haben die Konservativen dem Labourpolitiker einen populären Gegner verpasst. Boris Johnson ist unter anderem Fernsehmoderator und war früher Chefredakteur des traditionsreichen Magazins „The Spectator“. In den Umfragen zur Wahl am 1. Mai führt Johnson, auch wenn Livingstone zurzeit wieder aufholt. Am Dienstag trafen sich die beiden mit Brian Paddick, dem Kandidaten der Liberaldemokraten, zu einer Diskussion.

Die Programme unterscheiden sich eher in Nuancen: Die Kandidaten wollen mehr Häuser bauen, den maroden Londoner Nahverkehr verbessern und die Sicherheit auf den Straßen vergrößern. Deshalb gilt die London-Wahl vor allem als Duell der Persönlichkeiten. Und als Test für eine kommende Unterhauswahl, die der Premierminister und Labourpolitiker Gordon Brown bis 2010 ausrufen lassen muss. Tory-Chef David Cameron rechnet sich dann gute Chancen auf einen Regierungswechsel aus. Schließlich führt er seit Monaten in den Umfragen. Zuletzt profitierten die Konservativen zusätzlich von der Angst der Briten vor einer Rezession unter anderem als Folge der Kreditkrise, die in den USA begann.

Livingstone will davon nichts wissen. „London folgt Amerikas Abschwung nicht“, sagt der Bürgermeister. Dann macht er sich über jene Experten lustig, die vor zehn Jahren Paris oder – „um Gottes willen“ – Frankfurt als Konkurrenz für den Finanzstandort London ansahen. Nur New York sei so gerade noch ebenbürtig, posaunt der Stadtchef.

Das Spiel mit Ressentiments ist dem Populisten Livingstone nicht fremd. Als der Autohersteller Porsche ihm unlängst mit einer Klage gegen die Erhöhung der Londoner Stadtmaut für Wagen mit starkem Benzinverbrauch drohte, sagte Livingstone nicht: „Da mischt sich ein Unternehmer in die Londoner Politik ein.“ Er sagte: „Da mischt sich ein deutscher Unternehmer in die Londoner Politik ein.“ Wohl in der Hoffnung, dass Antideutsches auch 63 Jahre nach Kriegsende noch zieht auf der Insel.

Johnson, der Mann mit der Moppfrisur, will Livingstone als verblendeten Sozialisten bloßstellen und erinnert genussvoll an dessen „rätselhafte Trips nach Venezuela“, wo Livingstone billiges Benzin für Londons Busse bei Staatschef Hugo Chavez kaufte. Er, Johnson, werde Schluss machen mit dem Personenkult im Rathaus und die Ausgaben für Imagewerbung zusammenstreichen.

Paddick, ein früherer Polizist, wirkt eher farblos. Der Liberaldemokrat versucht sich als seriöse Alternative zu zwei Showmännern anzudienen. Livingstone gibt ihm dazu so manche Vorlage. Zum Beispiel, als der Bürgermeister den öffentlichen Nahverkehr Londons „fabelhaft“ nennt. Immerhin mit einem ironischen Lächeln. Den Chaos-Flughafen Heathrow bezeichnet Livingstone als „Weltklasse-Airport“. Und das ganz ohne Ironie.

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