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Post aus der DDR: Spitzel drüben, Spitzel hüben

Post aus der DDR wurde in der Bundesrepublik systematisch kontrolliert – dafür reichte eine Verordnung.

Von Matthias Meisner

Berlin - Dass das DDR-Ministerium für Staatssicherheit bis 1989 Post aus der Bundesrepublik systematisch kontrolliert hat, ist kein Geheimnis. Umgekehrt haben westdeutsche Behörden auch Sendungen aus der DDR vielfach geöffnet und ihren Inhalt untersucht. In einer dem Tagesspiegel vorliegenen Regierungsantwort auf eine Anfrage von Bundestagsvizepräsidentin Petra Pau (Linke) heißt es, verantwortlich dafür seien nach der sogenannten Interzonenüberwachungsverordnung vom 9. Juli 1951 die Zollbehörden gewesen. Die Deutsche Post der DDR musste demnach alle Poststücke entsprechend „vorführen“, wenn sie „dem Anschein nach Waren enthielten“. Finanz-Staatssekretär Hartmut Koschyk (CSU) schreibt: „Es ist davon auszugehen, dass Postsendungen aus der DDR in die Bundesrepublik Deutschland bis zur Wiedervereinigung am 3. Oktober kontrolliert wurden.“ Formal gültig war die Verordnung laut Bundesregierung sogar bis zum 31. Dezember 1991.

Die regelmäßige Überwachung währte damit offenbar deutlich länger, als Experten bisher vermuteten. Vor einigen Wochen hatte der Freiburger Historiker Josef Foschepoth die Kontrolle von Postsendungen aus der DDR durch westdeutsche und amerikanische Zensur zum Thema gemacht. Nach seinen Hochrechnungen sind bis 1968 etwa 250 bis 300 Millionen Sendungen zensiert, oft sogar vernichtet worden. Foschepoth meinte: „Nicht nur die DDR, sondern auch die Bundesrepublik hat ein Spitzelsystem aufgebaut und ihre Bevölkerung flächendeckend überwacht. Die Westdeutschen waren keineswegs nur Opfer des Kalten Krieges, wie sie sich selbst gerne sehen, sondern auch Akteure und Gestalter des Kalten Krieges.“ Unter Bezug auf Recherchen Foschepoths hatte das ZDF-Magazin „Frontal 21“ im November berichtet, dass Ermittlungsbehörden in den 60er Jahren sogar DDR-Regionalzeitungen beschlagnahmt hatten, als „Schriften mit staatsgefährdendem Inhalt“.

Pau ist „fassungslos, dass es für diese Überwachung noch nicht einmal ein Gesetz gab, sondern dass auf Grund einer Verordnung so weitreichende Eingriffe in das Postgeheimnis vorgenommen worden sind.“ Sie kritisierte, dass die Bundesregierung nicht in der Lage sei, Auskunft zur Zahl der Betroffenen zu geben, deren Sendungen geöffnet oder gar beschlagnahmt wurden. In der Regierungsantwort heißt es, die Vorgänge lägen zu lang zurück. Und: „Dienststellen, bei denen entsprechende Aufzeichnungen möglicherweise geführt wurden“, seien aufgelöst worden. Erfolglos recherchierte die Regierung im Aktenbestand des Bundesinnenministeriums – „keine Tatsachen zur Beantwortung der Fragen“. Auch im Justizministerium wurde Koschyk nicht fündig: Sollte es in den dortigen Aktenbeständen „Verschlusssachen“ dazu geben, „wären diese unbefristet eingestuft“, schreibt er. Das heißt: Sie sind höchstens im Einzelfall für Forschungszwecke verfügbar.

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