zum Hauptinhalt

Politik: Post-Konkurrenz attackiert Mindestlohn

Angeblich 20 000 Briefträgerjobs gefährdet – Arbeitgeber werfen Union „Angst vor Wahlkämpfen“ vor

Von Antje Sirleschtov

Berlin - Die überraschende Bereitschaft der großen Koalition, noch vor Weihnachten einen Mindestlohn für alle Briefzusteller in Deutschland gesetzlich zu verankern, hat zu Protesten bei den Konkurrenten der Post AG und beim Wirtschaftsflügel der CDU gesorgt. Der Chef des Arbeitgeberverbandes Neue Postdienstleister, Florian Gerster, warf der CDU am Freitag „Opportunismus“ vor. Er machte Kanzlerin und CDU-Chefin Angela Merkel (CDU) dafür verantwortlich, dass rund 20 000 Arbeitsplätze bei Post-Konkurrenten verloren gehen und die Liberalisierung des Briefmarktes in Deutschland gefährdet sei. Gerster kündigte rechtliche Prüfung des neuen Tarifvertrages des von der Post AG dominierten Arbeitgeberverbandes und der Gewerkschaft Verdi an.

Nachdem sie zuvor an der Union gescheitert waren, hatten der Post-Arbeitgeberverband und Verdi am Mittwoch einen geänderten Tarifvertrag vorgelegt, der den Briefzustellern in Unternehmen, die überwiegend Briefe befördern, einen Mindeststundenlohn von 8,00 Euro im Osten und 9,80 Euro im Westen garantieren soll. SPD- und Unionsspitzenpolitiker hatten daraufhin am Donnerstag erklärt, die Briefdienstleister auf dieser Grundlage noch vor Weihnachten in das Entsendegesetz aufzunehmen und den Tarifvertrag für allgemeinverbindlich zu erklären. Danach müssen alle Unternehmen, die überwiegend Briefe transportieren, ab Januar den Mindestlohn zahlen. Nach Angaben des Arbeitgeberverbandes der Post-Konkurrenten bedeutet das Lohnerhöhungen für rund 5000 Mitarbeiter der Post AG und etwa 30 000 Beschäftigte der Konkurrenten.

Gerster, der früher SPD-Arbeitsminister in Rheinland-Pfalz und unter Rot- Grün Chef der Bundesagentur für Arbeit war, warf der Union vor, sie habe sich nicht an die eigenen Beschlüsse und Versprechen gegenüber den Post- Konkurrenten gehalten. Offenbar hatte die Unionsspitze den Unternehmen zugesagt, einem Post-Mindestlohn nur zuzustimmen, wenn er nicht höher als acht Euro in der Stunde ist. Unter anderem auf diese Forderung war die SPD beim Koalitionstreffen Anfang November nicht eingegangen.

Gerster hielt der Union nun vor, sie sei aus „Angst vor einem Wahlkampf von Verdi gegen Hungerlöhne“ im nächsten Jahr in Hessen, Niedersachsen, Bayern und Hamburg nun eingeknickt. „Dass ein Monopolist mit einer Monopolgewerkschaft einen politisch sanktionierten Vertrag zulasten Dritter abschließt“, sagte Gerster, sei ein „einmaliger Fall in der deutschen Wirtschaftsgeschichte“. Die Post-Konkurrenten wollen nun darauf dringen, dass entweder die Post AG ab Januar Mehrwertsteuer zahlen muss oder alle Briefdienstleister von der Mehrwertsteuer befreit werden.

Vor dem Anfang kommender Woche in Hannover stattfindenden Parteitag der CDU signalisierte Hessens Ministerpräsident Roland Koch (CDU) am Freitag Zustimmung für den Post-Mindestlohn. „Das Thema kann nach meiner Einschätzung im Bundestag beschlossen werden“, sagte er. Sein baden-württembergischer Amts- und Parteikollege Günther Oettinger sah das ähnlich. „Ich glaube, dass damit das Thema Mindestlohn abgeschlossen ist, das heißt, ich akzeptiere die Regelung für den Postdienst“, sagte er.

Der Präsident des CDU-Wirtschaftsrats, Kurt Lauk, sprach hingegen von einem „Irrweg“. Die Tarifautonomie sei ein Erfolgsmodell. Es dürfe nicht dadurch auf Eis gelegt werden, dass Löhne und Gehälter gesetzlich festgelegt würden. Ähnlich äußerte sich der Mittelstandspolitiker der Union, Michael Fuchs. Er kündigte an, dem Gesetz nicht zuzustimmen.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false