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Linke-Ministerpräsidentenkandidat Bodo Ramelow, Grünen-Fraktionschefin Anja Siegesmund

© Kay Nietfeld/dpa

Postengeschacher in Thüringen: Scheitert Bodo Ramelow an den Grünen?

Die Grünen in Thüringen sind empört, weil sie in der Ramelow-Regierung nur einen Minister stellen dürfen. Zeitgleich bricht in der CDU der Machtkampf offen aus. Wird Lieberknecht als Parteichefin gestürzt?

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Bei den Koalitionsverhandlungen über eine Linken-geführte Regierung in Thüringen gibt es erhebliche Meinungsverschiedenheiten über die geplante Verteilung der Ministerien. Die Grünen wollen nicht hinnehmen, mit nur einem Ressort abgespeist zu werden, wie am Donnerstag aus Parteikreisen verlautete. Der Linken-Kandidat für das Ministerpräsidentenamt, Bodo Ramelow, hat der SPD dagegen vier Ministerposten zugesagt. Die Linke selbst will drei Ministerien führen.
In der Grünen-Delegation bei den Verhandlungen gibt es erheblichen „Missmut“, hieß es in Erfurt. „Noch können wir aussteigen“, wird bereits hinter vorgehaltener Hand gedroht. Rot-Rot-Grün sei „keine rot-rote Koalition mit ein bisschen Öko-Gekleckse“. Offenbar aber hätten sich SPD und Linke vor der Wahl auf ein Zweierbündnis eingerichtet.

Die Grünen-Landtagsabgeordnete Astrid Rothe-Beinlich forderte, mit r2g müsse „auf Augenhöhe“ für mehr Bewegung und Demokratie gesorgt werden. Ein Kompromissvorschlag, bei dem die Grünen mit einem zusätzlichen Staatssekretär für Kultur und Medien in der Staatskanzlei bedient werden, wird von den Grünen als „nicht diskutabel“ bezeichnet. Bereits am Dienstag hatten die Dissonanzen über die Ressortverteilung dazu geführt, dass die Grünen den Ausgang des SPD-Mitgliederentscheides für Rot-Rot-Grün nur zurückhaltend kommentierten - während sich Sozialdemokraten und Linke geradezu euphorisch äußerten. In einer Erklärung der Landespartei wird ein „solider Koalitionsvertrag“ mit einer deutlich grünen Handschrift verlangt, ein solcher werde auch die Zustimmung der Grünen-Basis finden. Die Grünen hatten es bei der Wahl im September nur knapp in den Landtag geschafft, allerdings kam die SPD auch nur auf 12,4 Prozent, so schlecht wie noch nie in diesem Bundesland.

Thüringische CDU-Politiker Mike Mohring, Christine Lieberknecht
Thüringische CDU-Politiker Mike Mohring, Christine Lieberknecht

© Martin Schutt/dpa

In der Landes-CDU beginnen parallel die Fliehkräfte zu wirken. Vize-Fraktionschefin Christina Tasch brachte den Sturz von Landeschefin Christine Lieberknecht ins Spiel. Lieberknecht wäre gut beraten, „beim Parteitag am 13. Dezember nicht erneut als Vorsitzende anzutreten“, sagte Tasch der „Thüringischen Landeszeitung“. Stattdessen solle Fraktionschef Mike Mohring neuer Landeschef werden. Tasch löste damit die Fehde aus, die Parteistrategen um jeden Preis vermeiden wollten. Der CDU, die seit 24 Jahren in Erfurt die Landesregierung anführt, droht durch Rot-Rot-Grün der Machtverlust. Allerdings hat das Linksbündnis nur eine Mehrheit von einer Stimme.

"Anflug von geistiger Verwirrung"

Die Christdemokraten hoffen, dass Ramelow bei der für den 5. Dezember geplanten Wahl scheitert. Um ihre letzte Chance zu wahren, war vereinbart worden: Nerven behalten, bloß kein innerparteilicher Streit. Genau den gibt es nun. „Dass sich Frau Tasch nicht an den vereinbarten Kurs hält, halte ich für unanständig und unangebracht“, sagte CDU-Generalsekretär Mario Voigt. Marcus Kalkhake, Kreischef in Suhl, meint: „Ich habe mich geärgert über das, was Frau Tasch in einem Anflug von geistiger Verwirrung von sich gegeben hat.“ Für so eine Debatte sei jetzt „einfach nicht der Zeitpunkt“.

Christine Lieberknecht will noch nicht aufgeben

Mohrings Sprecher teilte knapp mit, dass man sich an Personaldebatten nicht beteilige. Die amtierende Regierungschefin Lieberknecht ließ wissen, die CDU biete weiter die Bildung einer Landesregierung an, die Thüringen „aus der politischen Mitte heraus und nicht vom linken Rand her regiert“. Zunächst müsse klar sein, ob Rot-Rot-Grün eine Mehrheit im Landtag habe. Erst dann treffe man die Entscheidung, wie sich die CDU aufstelle. Auf dieses Vorgehen habe sich der Landesvorstand „einvernehmlich verständigt“.

Taschs Vorstoß entbehrt nicht einer gewissen Ironie. 2009 war es Lieberknecht, die ihren Vorgänger Dieter Althaus nach einer schweren Wahlniederlage stürzte. Nun markiert Tasch, die wie Althaus aus dem katholischen Eichsfeld stammt, womöglich den Anfang vom politischen Ende Lieberknechts. Falls sie mit der Billigung Mohrings handelte, kann es der 42-jährige Fraktionschef offenbar nicht mehr abwarten, auch Parteichef zu werden. Sein Ziel dürfte die Spitzenkandidatur bei der nächsten Landtagswahl sein.

Mike Mohring ist nicht unumstritten

Unumstritten ist er jedoch nicht. In der jetzt zu Ende gehenden schwarz-roten Koalition galt er als Spalter. Er "ist das personifizierte Feindbild für viele SPD-Mitglieder", meinte der bisherige Wirtschaftsminister Uwe Höhn (SPD). In der CDU wird daran erinnert, dass Mohring durch seinen Flirt mit der AfD seinen Teil zu den nur 33,5 Prozent bei der jüngsten Landtagswahl beigetragen habe. Mit Blick auf Tasch heißt es wütend, der „Dolchstoß scheint geübte Methode zu sein“. Das zeige, was Lieberknecht in den vergangenen fünf Jahren habe ertragen müssen.
Allerdings wird in der Partei auch erwartet, dass Lieberknecht den CDU-Vorsitz in jedem Fall aufgibt – ob die Wahl Ramelows gelingt oder nicht. Ihr werden Versorgungsaffären in der vorigen Wahlperiode ebenso angelastet wie das aktuelle Scheitern der Sondierungsgespräche mit der SPD. Als neuer CDU-Landeschef sind neben Mohring auch Generalsekretär Voigt und Parlamentspräsident Christian Carius im Gespräch.

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