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Politik: Potenziell unbequem

Der Bundesnachrichtendienst hat Journalisten ausgeforscht, die zu Geheimdienstthemen arbeiten / Fragen und Antworten

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Wer wurde bespitzelt?

Ausgangspunkt der Bespitzelungsaffäre war der Weilheimer Publizist und Geheimdienstexperte Erich Schmidt-Eenboom. Über Jahre, beginnend 1993 nach der Veröffentlichung eines BND-kritischen Buches, wurde sein Institut durch ein BND-Observationsteam überwacht. Der BND wollte wissen, von wem Schmidt-Eenboom seine BND-internen Informationen erhielt. Im Zuge der Aufdeckung dieses Skandals kam ans Licht, dass der BND über journalistische Quellen nicht nur Schmidt-Eenboom, sondern auch weitere, in BND-Berichterstattung profilierte Journalisten bespitzelte. Im Visier des BND waren in erster Linie das Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“ und seine Rechercheure. Auch ein Redakteur des Magazins „Focus“ wurde bis ins Private beobachtet – und offenbar von Kollegen aus dem eigenen Haus ausgeforscht. Einem Rechercheur des Magazins „Stern“ wurde solch ungewollte Aufmerksamkeit zuteil. Und ein Kollege der „Berliner Zeitung“ wurde noch in jüngerer Vergangenheit bespitzelt. So weit die bekannten Fälle, es gibt offenbar noch weitere. Das Interesse des BND lag stets darin, über Recherchethemen und -quellen der potenziell unbequemen Journalisten informiert zu sein.

Wer hat die Kollegen ausgeforscht?

„Dali“/„Schweiger“: Fünf Fälle präsentiert Gerhard Schäfer, der Ermittler in Sachen BND-Skandal, fünf Journalisten, die ihre Kollegen ins Visier genommen haben sollen. Die Fälle haben offenbar je unterschiedliche Qualität. Bei „Dali“, auch „Schweiger“ genannt, bestreitet keine der beiden Seiten die Zusammenarbeit. Zwar relativierte der ehemalige „Focus“-Journalist, der sich seit Jahrzehnten mit Geheimdienst-Themen beschäftigt, im „Spiegel“ seine Dienste für den BND als „Gespräche auf gegenseitiger Basis“. Doch die Basis für die Beziehung zwischen dem Journalisten und dem BND war offenbar ein handfestes Salär: Zwischen 1982 und 1998 soll er mehr als eine halbe Million Mark erhalten haben.

„Sommer“: Der BND-Skandal kam schon im vergangenen Jahr ins Rollen, nachdem ein Kollege der „Berliner Zeitung“, Andreas Förster, die Observation beim Geheimdienstexperten Schmidt-Eenboom öffentlich gemacht hatte. Allerdings wusste der BND bereits vor der Veröffentlichung davon, dass die Geschichte das Licht der Welt erblicken sollte. Förster und Schmidt-Eenboom fragen sich heute „woher der BND wusste, mit wem ich die Geschichte machen wollte“ (Schmidt- Eenboom). Zwar ist heute klar, dass der BND über einen Leipziger Journalisten, der unter dem Decknamen „Sommer“ geführt wurde, an die Information über die bevorstehende Veröffentlichung gelangte. Doch warum jener seit mindestens 2002 auf Förster angesetzt war, ist unklar. „Sommer“ soll noch zwei weitere Kollegen bespitzelt haben.

„März“/„Gladiator“: Schmidt-Eenboom selbst, hat auch Decknamen: „März“ und Gladiator“. Im Gespräch mit dem Tagesspiegel betont Schmidt-Eenboom, er habe nie Kollegen oder deren Quellen verraten. Zwei Gründe für informelle Treffen zwischen 1997 und 2004 mit dem BND nennt Schmidt-Eenboom: Zum einen habe er ein „jahrelanges Feindverhältnis“ verbessern wollen. Dabei habe es auch „schmutzige Angebote von Seiten des BND“, also den Versuch, Informationen über Kollegen zu erlangen, gegeben – was er aber abgelehnt habe. Eine Geschichte führt er als Beispiel für seinen Kontakt an: Eine Untersuchung auf Spionageverdacht zum Ex- BND-Sicherheitschef Volker Foertsch. Ein Kollege Schmidt-Eenbooms habe den Untersuchungsbericht dazu angeboten bekommen. „Da es mehrere Versionen davon gab“ habe er, Schmidt-Eenboom, in Absprache mit seinem Kollegen, dem BND davon berichtet. „Ich wollte abklären, welche Version da zu haben war.“

„Kempinski“: Unter dem Tarnnamen „Kempinski“ wurde jahrelang außerdem ein „Focus“-Autor geführt, der insbesondere über Kollegen des „Spiegel“ und des „Focus“ plauderte. Der ehemalige Major der Staatssicherheit, für den BND auch wertvoll was Spionage im ehemaligen Ostblock anging, betonte im „Spiegel“ im vergangenen Herbst, er habe nie Geld erhalten, seine Kontakte zum BND seien rein journalistisch gewesen.

„Bosch“: Im Umfeld des „Focus“ war Anfang der 90er Jahre ein weiterer Reporter in engeren Kontakt mit dem deutschen Auslandsgeheimdienst getreten. Unter dem Decknamen „Bosch“ berichtete ein Journalist, der heute in Krisenregionen der Welt recherchiert und in jüngerer Zeit als freier Autor für den Tagesspiegel geschrieben hat, über einen Kollegen aus der „Focus“-Redaktion. Das allerdings lag lange vor der Zeit, als er für den Tagesspiegel angefangen hat zu schreiben. Dennoch wird der Tagesspiegel die Zusammenarbeit mit diesem Reporter bis zur Klärung der Vorwürfe ruhen lassen.

Wer ist verantwortlich?

Die Bespitzelung von Journalisten hat im BND eine lange Tradition mit einem Höhepunkt in den 60er Jahren. Doch der Auslandsgeheimdienst, insbesondere unter den letzten beiden Präsidenten Hansjörg Geiger und August Hanning, heute Innenstaatssekretär, hat es sich zur Aufgabe gemacht, mit unguten Traditionen zu brechen. Die Bespitzelung Anfang der 90er Jahre betrifft die Amtszeit von Konrad Porzner, sie ragt jedoch hinein in die Amtszeit von Geiger. Und mindestens die Ausforschung des Journalisten der „Berliner Zeitung“ fällt in die Verantwortungszeit von Hanning. Der frühere BND-Sicherheitschef Volker Foertsch hat die Quellen geführt und gilt als Kopf der Bespitzelungen. Ob Foertsch dies ohne Wissen und Billigung des BND-Präsidenten so hat betreiben können, ist umstritten. Spätestens seit 1998 immerhin gilt ein Weisung von Geiger, dass journalistische Quellen nur mit seinem Wissen geführt werden dürfen.

Wird der Skandal Teil des BND-Untersuchungsausschusses?

Noch ist die Frage nicht entschieden. Das hängt vom Kräfteverhältnis im Ausschuss und vom Umgang der aktuell politisch Verantwortlichen mit dem Skandal ab. Die FDP verlangt eine öffentliche Aufklärung. Andernfalls werde sie ihr Minderheitenrecht in Anspruch nehmen und das Thema im Untersuchungsausschuss zur Sprache bringen.

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