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Politik: Präsident Sezer brüskiert Erdogan Staatschef nimmt Kabinettsliste nicht an

Istanbul - Ein Flugzeug, das startbereit ist und bald abheben wird – so beschreibt der türkische Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan sein Land nach der Wahl vom 22. Juli.

Istanbul - Ein Flugzeug, das startbereit ist und bald abheben wird – so beschreibt der türkische Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan sein Land nach der Wahl vom 22. Juli. Seither hat Erdogan darüber nachgedacht, wie die Crew des Flugzeugs aussehen soll: Erdogans neue Regierung soll ein betont reformorientiertes Gesicht haben. Bekennende Wirtschaftsliberale will er ebenso in Schlüsselpositionen hieven wie EU-Befürworter. Vorerst bleibt das Flugzeug aber am Boden: Der scheidende Staatspräsident Ahmet Necdet Sezer weigerte sich am Donnerstag, die neue Kabinettsliste abzusegnen oder überhaupt nur anzuschauen. Ein klarer Affront des Kemalisten Sezer, der Erdogan als Islamisten betrachtet.

„Auch für mich ist das eine Überraschung“, sagte Erdogan nach seinem noch nicht einmal 20-minütigen Treffen mit Sezer. Offenbar bemüht, eine neuerliche Staatskrise zu vermeiden, sprach Erdogan von einer „Geste“ Sezers, die auch positiv gesehen werden könnte. Beobachter verwiesen jedoch darauf, dass Sezer trotz seiner zu Ende gehenden Amtszeit fast täglich Entscheidungen trifft, etwa bei der Ernennung von Richtern an den obersten Gerichten des Landes. Sezer ist noch im Amt, weil im Frühjahr die Wahl seines Nachfolgers im Parlament scheiterte. Am Montag beginnt im Plenum ein neuer Versuch. Einziger Kandidat ist Außenminister Abdullah Gül. Dank der Parlamentsmehrheit von Erdogans Regierungspartei AKP wird damit gerechnet, dass Gül spätestens im dritten Wahlgang am 28. August zum Präsidenten gewählt wird.

Erdogan wollte nach seinem Treffen mit Sezer keine Einzelheiten seines neuen Kabinetts bekanntgeben. Medienberichten zufolge soll der bisherige Wirtschaftsminister und EU-Verhandlungsführer Ali Babacan den Außenministerposten übernehmen. Als neuer EU-Verhandlungsführer ist Egemen Bagis im Gespräch, ein proeuropäischer Außenpolitiker und enger Berater Erdogans. Finanzminister Kemal Unakitan soll als Vizeministerpräsident künftig die Rolle eines wirtschaftspolitischen Superministers übernehmen. Der frühere Investmentbanker Mehmet Simsek könnte Babacans Posten als Wirtschaftsminister erben. Zugleich soll neben der amtierenden Frauenministerin Nimet Cubukcu mindestens eine weitere Frau ins Kabinett einrücken – vermutlich Edibe Sözen, eine AKP-Vizevorsitzende. Der prominenteste Vertreter des religiösen AKP-Flügels, Parlamentspräsident Bülent Arinc, soll nicht ins Kabinett aufgenommen werden. Thomas Seibert

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