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Präsidentenwahl in Iran: Ausschreitungen in Teheran nach Ahmadinedschads Sieg

Nach dem eindeutigen Wahlsieg ist es in der Hauptstadt zu gewaltsamen Protesten gekommen. Hunderte Anhänger gingen aufeinander los, die Polizei setzte Schlagstöcke ein.

In Irans Hauptstadt Teheran kam es nach Bekanntgabe des Wahlergebnisses zu Zusammenstößen von Unterstützern des wiedergewählten Präsidenten Mahmud Ahmadinedschad und seines Herausforderers Mir Hossein Mussawi. Hunderte Anhänger gingen zum Teil mit bloßen Fäusten aufeinander los. Die Polizei ging mit Schlagstöcken gegen Demonstranten vor, die aus Protest gegen den Sieg Ahmadineschads auf einer Straße eine Sitzblockade veranstalteten. Einige Demonstranten wurden festgenommen.

Irans geistliches Oberhaupt Ayatollah Ali Chamenei hat die Lager der unterlegenen Kandidaten der Präsidentschaftswahl zur Mäßigung aufgerufen. "Die Anhänger des gewählten Kandidaten und auch die der anderen respektierten Kandidaten sollten mit Blick auf Verhalten oder Erklärungen jedwede Provokation vermeiden", hieß es in einer Erklärung Chameneis. Der gewählte Präsident sei der Präsident aller Iraner und alle müssten diesen uneingeschränkt unterstützen.

Mehr als 60 Prozent für Ahmadinedschad

Kurz zuvor hatte das Innenministeriums das Wahlergebnis bekannt gegeben: 24,5 Millionen Wähler für den Amtsinhaber. Dies seien 62 Prozent der Stimmen. Für Ahmadineschads reformorientierten Herausforderer, den früheren Ministerpräsidenten Mussawi, votierten demnach 13,2 Millionen Iraner, dies waren 33,7 Prozent. Insgesamt hätten 39 Millionen Menschen abgestimmt, was einer Wahlbeteiligung von 85 Prozent entspreche.

Am Samstagmorgen hatte das iranische Innenministerium nach Auszählung von vier Fünftel der Stimmen bereits Teilergebnisse der Wahl bekanntgegeben. Zu diesem Zeitpunkt lag Ahmadinedschad mit 65 Prozent der Stimmen bereits uneinholbar vorne.

Vielen Iranern ist der Wahlausgang zu deutlich. Sie sind geschockt, sprachlos und wollen dieses Ergebnis nicht wahrhaben. "Keiner hat es ausgeschlossen, dass Ahmadinedschad als Amtsinhaber die Wahlen gewinnen könnte, aber dass er so klar gewinnt, ist schon eigenartig", sagte ein Wahlbeobachter.

Mussawi sieht Unregelmäßigkeiten bei der Wahl

Mussawi wirft dem Innenministerium vor, sowohl bei den Wahlen selbst als auch bei der Auszählung der Stimmen regelwidrig agiert zu haben. "Ich bin eindeutig der Gewinner der Wahl und der rechtmäßige Präsident des Volkes", sagte er bei einer Pressekonferenz in der vergangenen Nacht. Das Wort Wahlfälschung nahm er nicht in den Mund. Seine Wahlhelfer standen versteinert in seinem Büro. "So ist es halt", sagte einer.

Beobachter gehen davon aus, dass Ahmadineschad schon wegen der gescheiterten Wirtschaftsreformen weniger Stimmen hätte bekommen müssen. "Man kann ja ideologisch mit ihm auf der gleichen Wellenlänge sein, aber es kann doch nicht angehen, dass die Leute froh darüber sind, dass es im Land Rezession und hohe Inflation gibt, und der Regierung dafür mit ihren Stimmen noch danken!", sagte ein Professor einer Teheraner Universität.

Doch Ahmadinedschad wird das Land weitere vier Jahre regieren. Und damit muss sich auch der Westen arrangieren: Im Vorfeld der Wahlen hatte der iranische Präsident gesagt, es werde im Atomstreit keine weiteren Gespräche mit den fünf Mitgliedsstaaten des UN-Sicherheitsrates plus Deutschland geben. Er würde den Weltmächten lediglich ein Paket übergeben, dass sich hauptsächlich mit seiner Vision eines Weltfriedens und der weltweiten atomaren Abrüstung befasst. Mit Mussawi als Präsident hatte sich der Westen mehr diplomatische Flexibilität erhofft.

Diplomatische Eiszeit könnte fortdauern

Auch die Hoffnung, dass Teheran und Washington nach drei Jahrzehnten wieder Gespräche aufnehmen würden, ist verblasst. Ein eventuelles Treffen zwischen US-Präsident Barack Obama und Ahmadinedschad erscheint eher unwahrscheinlich. Die Haltung des alten und neuen Präsidenten gegenüber Israel ist bekannt. "Die von Iran erwartete konstruktive Rolle in der Nahostkrise hätte auch unter Mussawi nicht geklappt, geschweige denn unter Ahmadineschad", sagte ein arabischer Diplomat in Teheran.

Ahmadinedschad wird es jedoch in der zweiten Amtsperiode auch innenpolitisch nicht leicht haben. Dem ehemaligen Präsidenten Akbar Haschemi-Rafsandschani hat er in einer Fernsehdebatte Korruption vorgeworfen, die Atompolitik seines Vorgängers Mohammad Chatami und dessen Kompromissbereitschaft mit dem Westen bezeichnete er als eine "Schande". Außerdem wird ihn wohl auch Mussawi nicht so einfach in Ruhe lassen. "Ich habe nichts als die Unterstützung des Volkes, aber mit dieser Unterstützung werde ich bis zum Ende gehen", sagte der Verlierer in der Wahlnacht.

ZEIT ONLINE, sb, dpa, Reuters

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