zum Hauptinhalt
Wut und Verzweiflung haben sich nach der Wahl in Haiti Luft gemacht. Tausende gingen auf die Straße und protestierten gegen Unregelmäßigkeiten bei der Präsidentenwahl. Ein Ergebnis wird erst in einer Woche erwartet.

© Orlando Barria/dpa

Präsidentenwahl: Schüsse, Rollkommandos, Chaos in Haiti

Haitis Opposition spricht von Betrug bei der Präsidentenwahl. Im Januar wird wohl erneut abgestimmt. Angesichts der spannungsgeladenen Situation verstärkte das UN-Blauhelmkontingent den Schutz des Wahlrates.

Haiti sieht sich nun auch noch mit einer schweren politischen Krise konfrontiert. Der Provisorische Wahlrat – dessen Unparteilichkeit von der Opposition angezweifelt wird – hat die Präsidentschaftswahl vom Sonntag für gültig erklärt, obwohl zwölf Bewerber Wahlbetrug anprangerten und tausende Haitianer noch am Wahltag gegen den Verlauf der Abstimmung protestierten. „Die Wahlurnen sind geschlossen, die Wahl ist vollendet, wir danken der Bevölkerung für die demokratische Teilnahme“, sagte der Vorsitzende des Wahlrates, Gaillot Dorsainvil, in Port-au-Prince. Auch der Chef der UN-Mission (Minustah), Edmond Mulet, sprach von einem „Fest der Demokratie“ und einem „geregelten Verlauf trotz einzelner Zwischenfälle“. Dorsainvil zufolge befindet sich das Wahlmaterial in Obhut der Minustah, weshalb Betrug auszuschließen sei. Inzwischen wurden jedoch Vorwürfe laut, wonach es schon vor der Auszählung zu Unregelmäßigkeiten gekommen sein soll. Ein internationaler Wahlbeobachter zeigte sich „sehr besorgt“ über die Vorkommnisse, ein anderer sprach von „Chaos“.

In 56 der 1500 Wahlkreise konnte gar nicht erst abgestimmt werden. Parteigänger des Regierungskandidaten Jude Celestin hätten den Zugang zu Wahllokalen blockiert, während vielerorts die Wahllisten unvollständig seien, berichteten Zeugen in lokalen Medien. Ein Reporter der Nachrichtenagentur efe sah, wie im Armenviertel Cité Soleil Rollkommandos die Wahlbüros überfielen und unter den verdutzten Blicken der Wahlkomitees die Urnen mit Stimmen füllten. Mehrere Menschen wurden bei gewaltsamen Zusammenstößen verletzt, zwei starben bei Tumulten in Aquin. In Desdunes wurde nach Angaben des dortigen Bürgermeisters die ganze Nacht geschossen. Blauhelmsoldaten gelang es, mit Warnschüssen und Festnahmen die Situation zu entschärfen.

Ein provisorisches Ergebnis wird frühestens in einer Woche erwartet. Den – allerdings nicht sehr zuverlässigen – Umfragen zufolge dürfte die Wahl allerdings erst in der zweiten Runde am 16. Januar entschieden werden, und zwar zwischen der ehemaligen Präsidentengattin Mirlande Manigat, Celestin, dem Sänger Michel Martelly und dem Unternehmer Charles-Henri Baker.

Zwölf der 17 Oppositionskandidaten warfen dem Wahlrat vor, das Ergebnis zugunsten Celestins zu fälschen. Darunter auch Manigat und Martelly. Parteigänger von dessen Bündnis Inité hätten in den Wahllokalen übernachtet und beobachtet, dass einige Urnen bereits gefüllt aufgestellt worden seien, berichteten sie. Mancherorts hätten Todesopfer des Erdbebens vom Januar auf den Wahllisten gestanden, viele Wähler seien eingeschüchtert worden. „Es geht nicht nur um vereinzelten Wahlbetrug, dies ist ein Skandal, ein Komplott, eine massive Entführung der Stimmen“, kritisierte Manigats Sprecher Patrice Dumond, der konkrete Beweise jedoch schuldig blieb.

Nach der gemeinsamen Presseerklärung der Opposition marschierten mehrere tausend Demonstranten durch die Hauptstadt Port-au-Prince und andere Städte wie Cap Haitien, Jacmel und Saint Marc. Sie rissen Wahlplakate Celestins von den Wänden, forderten lautstark die Annullierung des Wahlgangs und den Rücktritt des unpopulären Präsidenten René Préval, in dem sie den Strippenzieher zugunsten Celestins sehen. In der Hauptstadt wurde der Demonstrationszug angeführt von Martelly und dem populären Sänger Wyclef Jean, der vom Wahlrat erst gar nicht zur Wahl zugelassen worden war.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false