zum Hauptinhalt

Präsidentschaftswahlen: Europa bleibt für Serben attraktiv

Pro-EU-Parteien waren bei den Wahlen erfolgreich. Über den künftigen Präsidenten muss aber in einer Stichwahl entschieden werden.

Berlin - Die europäische Schuldenkrise schreckt Bewerber für die EU offensichtlich nicht ab. In Serbien, wo am vergangenen Sonntag Parlaments- und Präsidentschaftswahlen abgehalten wurden, setzen sich die proeuropäischen Kräfte jedenfalls klar durch. Die regierende Demokratische Partei (DS) von Präsident Boris Tadic kam auf 67 von 250 Parlamentssitzen. Die Fortschrittspartei (SNS) des gemäßigten Nationalisten Tomislav Nikolic, der Serbien ebenfalls in die EU führen will, errang nach Auszählung fast aller Stimmen am Montag 73 Sitze. Offenbar als Reaktion auf die schlechte Wirtschaftslage verlor die DS allerdings rund 15 Prozent ihrer Wähler im Vergleich zu 2008 und ist damit nur noch zweitstärkste Kraft. Tadic und Nikolic werden am 20. Mai in einer Stichwahl auch um das Präsidentenamt konkurrieren; in der ersten Runde gab es hier ebenfalls ein Patt. Der frühere nationalistische Premier und Präsident Vojislav Kostunica erhielt dagegen weniger als zehn Prozent der Stimmen; die Radikalen des in Den Haag angeklagten Vojislav Seselj werden voraussichtlich nicht einmal mehr im Parlament vertreten sein. Auch das ist ein Zeichen dafür, dass die Serben eine eindeutige Entscheidung getroffen haben: Sie sehen ihre Zukunft im Westen.

Bei der Regierungsbildung könnten die Sozialisten zum Mehrheitsbeschaffer sowohl für die DS als auch für die Fortschrittspartei werden. Die frühere Milosevic-Partei hat mit der Vergangenheit gebrochen und regiert seit 2008 in Belgrad mit. Am Sonntag konnte sie ihr Ergebnis verdoppeln, obwohl sie den EU-Kurs der DS mitunter torpedierte und Kompromisse im Umgang mit dem Kosovo geißelte. Aufgehalten haben die Sozialisten den Zug gen Brüssel aber nicht. Wenn es nicht zu einer großen Koalition kommt, ist eine sozialistische Regierungsbeteilung daher wahrscheinlich. Parteichef Ivica Dacic, derzeit Innenminister und Vizepremier, hat seinen Preis genannt: Er will Regierungschef werden. Am Wahlabend sagte er: „Wir wissen vielleicht noch nicht, wer Serbiens nächster Präsident wird, aber es ist klar, wer der nächste Premier sein wird.“ Ulrike Scheffer

Zur Startseite