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Politik: Pragmatismus, Geschäftssinn und Nichteinmischung

Am Anfang standen Investitionen in die Rohstoffförderung. Doch inzwischen bilden sich in großen Städten China-Towns. Im Sudan sind die Prinzipien Pekings an der Realität gescheitert. Dennoch ist China in Afrika zu einer echten Weltmacht geworden.

In Afrika ist China eine echte Weltmacht. Das Handelsvolumen zwischen dem Kontinent und China ist von neun Milliarden US-Dollar im Jahr 2000 auf 160 Milliarden Dollar 2011 gewachsen, schreibt die Afrikanische Entwicklungsbank. Ein Drittel des Öls, das China importiert, kommt aus Afrika. Die chinesische Entwicklungsbank und die Export-Import-Bank haben in den Jahren 2009/10 rund 110 Milliarden Dollar in Entwicklungsländern, vor allem in Afrika, verliehen – mehr als die Weltbank. Nach Angaben der chinesischen Regierung gehen 46 Prozent ihrer Entwicklungshilfe nach Afrika und nur 33 Prozent in benachbarte asiatische Länder. Dabei lassen sich Entwicklungsmittel und Investitionen nur schwer voneinander unterscheiden. Das „Angola Modell“ ist inzwischen auch von anderen Staaten übernommen worden. China investiert in die Infrastruktur eines Landes und lässt sich diesen Kredit in Form von Öllieferungen bezahlen. Nach Angaben der chinesischen Regierung werden 41 Prozent der Investitionen als Zuschüsse vergeben, 34 Prozent sind auf 20 Jahre zinslose Kredite und 29 Prozent gebundene Kredite wie beim „Angola Modell“.

Die chinesisch-afrikanischen Beziehungen begannen schon in den 60er Jahren, kurz nachdem die meisten afrikanischen Staaten unabhängig geworden waren. Der chinesische Premierminister Zhou Enlai machte 1963 eine große Afrika-Tour. Das Ergebnis der Reise war ein zinsfreies Darlehen über rund 157 Millionen US-Dollar für den Bau einer Eisenbahnlinie zwischen Sambia und Tansania. Am Bau der Tazara-Eisenbahn waren auch 13 500 chinesische Bauarbeiter beteiligt. 1990 hat China damit begonnen, sein Engagement in Afrika auszuweiten. Seither nehmen der Handel und die Rohstoffexporte sowie der chinesische Einfluss in Afrika stetig zu.

1995 ging der chinesische staatliche Ölkonzern CNPN in den Sudan, um die dort entdeckten Ölfelder zu entwickeln. 2005 lieferte der Sudan fünf Prozent der chinesischen Ölimporte. China hat im Sudan jedoch nicht nur in die Ölförderung direkt investiert, sondern auch in eine Pipeline zum Ölhafen Port Sudan am Roten Meer, eine Raffinerie, eine Eisenbahn und die Stromproduktion. Die Investitionen in Angola, Kongo-Brazzaville, Äthiopien, Gabun oder Sambia sind vom Umfang, wenn auch nicht in der Summe, vergleichbar.

Der Sudan ist neben Südafrika das wichtigste Land für China. Und der Sudan war auch der erste echte Test für die chinesische Afrikapolitik. Chinas Prinzip der „Nichteinmischung“ und der „Respekt für die territoriale Einheit“ waren dem sudanesischen Drama eines jahrzehntelangen Bürgerkriegs zwischen dem inzwischen unabhängigen Südsudan und Sudan und dem weltöffentlichen Proteststurm gegen Sudans Darfur-Politik nicht gewachsen. China war gegen die Unabhängigkeit des Südsudan. Doch nachdem der Friedensvertrag zwischen dem Norden und dem Süden 2005 vereinbart und ein Referendum über die Unabhängigkeit Südsudans absehbar war, siegte der chinesische Pragmatismus über das Prinzip. China begann, sich mit der künftigen südsudanesischen Regierung zu arrangieren, und bemüht sich seither um gute Beziehungen zu beiden Regimen. Alles andere würde die eigenen Investitionen gefährden. Als Menschenrechtsorganisationen, angeführt von der Hollywood-Schauspielerin Mia Farrow, versuchten, die Olympischen Spiele in Peking zu nutzen, um China für seine Sudan-Politik an den Pranger zu stellen, reagierte Peking mit einem Sudan-Beauftragten.

Afrikanische Regierungen rollen chinesischen Firmen und Staatsgästen nach wie vor den roten Teppich aus. Chinesische Investitionen sind deshalb so beliebt, weil an sie in der Regel „keine Bedingungen“ geknüpft werden. Außerdem sehen sie afrikanische Regierungen eher als Geschäftspartner und weniger als Hilfeempfänger wie viele westliche Regierungen. Vor allem diktatorische Regime, die vom Westen gemieden werden, sehen in China eine willkommene Alternative. Simbabwes Präsident Robert Mugabe hat das auf dem Höhepunkt der Krise in seinem Land so zusammengefasst: „Im Osten geht die Sonne auf, im Westen geht sie unter.“ Umgekehrt gibt es inzwischen auch einige Afrikaner, die ihr Glück in China machen wollen. Die meisten leben in Guangzhou.

Allerdings sind die Beziehungen zwischen China und Afrika keineswegs konfliktfrei. Die 13 500 chinesischen Bauarbeiter in den 60er Jahren galten noch als Symbol für die chinesisch-afrikanische Freundschaft. Aber inzwischen kommt die chinesische Strategie, für jedes Bauprojekt auch das Personal mitzubringen – und dann auch gleich dort zu lassen –, nicht mehr uneingeschränkt gut an. In Tansania gab es vor der jüngsten Wahl Ausschreitungen gegen Chinesen. Denn dort sind auf den Märkten inzwischen so viele chinesische wie tansanische Händler zu finden. In vielen größeren Städten haben sich China-Towns gebildet. In Johannesburg sind es sogar gleich sechs größere Ansammlungen chinesischer Läden, Restaurants und anderer Unternehmer. Die Consultancy Africa Intelligence, ein Beratungsunternehmen mit Schwerpunkt Afrika, weist in einer Analyse zudem darauf hin, dass chinesische Arbeitgeber oft mit dem Arbeitsrecht ihrer Gastländer in Konflikt geraten. Sie würden nur selten schriftliche Arbeitsverträge abschließen, zahlten fast nie eine Krankenversicherung für ihr afrikanisches Personal und oft auch weniger als den Mindestlohn. In Sambia kam es mehrfach zu Protesten gegen chinesische Minenbetreiber. Immer wieder wurden chinesische Ölarbeiter entführt, im Sudan oder vor Nigeria.

Dem Ruf der zehntausenden Exil-Chinesen in Afrika ist auch nicht zuträglich, dass immer wieder ganze Warenlager ausgehoben werden, weil Händler im Verdacht stehen, Produkte am Zoll vorbei ins Land gebracht zu haben. Chinesische Banden beherrschen den Elfenbeinschmuggel von Kenia und Tansania aus.

Der Internationale Währungsfonds erwartet, dass China mit sinkenden Wachstumsraten weniger afrikanische Rohstoffe brauchen wird. Davon ist in diesem Jahr allerdings noch nichts zu spüren. Die Wirtschaftszahlen weisen auf ein Rekordjahr hin. Dagmar Dehmer

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