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Politik: Praktische Vernunft

Die scheidende Präsidentin des Bundesverfassungsgerichts, Jutta Limbach, hat die Verleihung der Studienpreise der Körber-Stiftung in Berlin zum Anlass für eine Grundsatzrede zum Stammzellen-Streit genommen. Dabei wurde sie deutlicher als sie es sein dürfte, wenn sie noch als Verfassungsrichterin künftige Entscheidungen zu dieser Frage gewärtigen müsste.

Die scheidende Präsidentin des Bundesverfassungsgerichts, Jutta Limbach, hat die Verleihung der Studienpreise der Körber-Stiftung in Berlin zum Anlass für eine Grundsatzrede zum Stammzellen-Streit genommen. Dabei wurde sie deutlicher als sie es sein dürfte, wenn sie noch als Verfassungsrichterin künftige Entscheidungen zu dieser Frage gewärtigen müsste.

Zum Thema Dokumentation: Die Debatte um die Stammzellen-Forschung Stichwort: Embryonale und adulte Stammzellen Limbach stellte heraus, dass weder die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts noch das Grundgesetz die Frage beantwortet, wann das menschliche Leben beginnt. Das Verfassungsgericht habe lediglich bei der Frage des Schwangerschaftsabbruchs geklärt, wo der Schutz des Grundgesetzes für das werdende Leben einsetzt. Ausgehend vom Artikel eins des Grundgesetzes, der die Menschenwürde zur Grundlage der Verfassung und der Grundrechte erklärt, habe das Bundesverfassungsgericht abgeleitet, dass der Mensch nie mehr zu einem bloßen Objekt des Staates werden dürfe. Spätestens an dieser Stelle jedoch ende die Gemeinsamkeit des Denkens in der gegenwärtigen Debatte um die Stammzellen.

Die Artikel des Grundgesetzes seien so offen, dass nicht nur eine Interpretation zugelassen werde. Damit scheide die Berufung auf philosophische, religiöse oder weltanschauliche Lehren als alleinigen Maßstab für die Würde des Menschen aus.

Limbach sagte, das Dilemma der Bioethik bestehe darin, dass sie schon heute Folgen abschätzen müsse, die in den Sternen stünden. In einer solchen ungewissen Situation nehme das Verfassungsgericht "Zuflucht zur praktischen Vernunft" und weise die Entscheidung in die Verantwortung der Politik. Aber der Mehrheitsbeschluss des Bundestages vom 30. Januar dieses Jahres weiche der entscheidenden Frage aus, ob grundsätzlich Embryonen verfügbar sein sollen und als Forschungsobjekte verbraucht werden dürfen. Daher sei der gefundene Weg auch nicht frei von Widersprüchen: Entweder hätte man den Import von importierten Zelllinien nicht gestatten dürfen, oder aber - wenn man diesen Import bejaht - hätte man auch erlauben müssen, hierzulande vorhandene überzählige Embryonen zu nutzen. Von daher werde die Politik und die Bürgergesellschaft weiter nach einem gemeinsamen Verständigungshorizont ringen.

Für den künftigen Dialog schlug Limbach Leitlinien vor: Er setze "zunächst einmal das gegenseitige Eingeständnis voraus, dass es einen über jeden Zweifel erhabenen Maßstab nicht gibt". Die Fähigkeit, sich in die Voraussetzungen und das Denken des anderen hineinzuversetzen, sei nach wie vor unverzichtbar. Die Frage könne jedoch nicht nur der Philosophie überantwortet werden. Die zur Diskussion stehenden ethischen Fragen könnten nur in "einem die Fächer übergreifenden und die Gesellschaft mit einschließenden Dialog beantwortet werden".

Großbritannien: Embryonen nach Maß

In Großbritannien haben sechs Paare ihren Wunsch nach einer Embryonen-Auslese angemeldet. Wie die Zeitung "The Times" berichtet, wollen sie im Reagenzglas mehrere Embryonen zeugen, die dann darauf überprüft werden, ob ihre genetischen Eigenschaften mit denen eines bereits lebenden, an einer Erkrankung leidenden Kindes übereinstimmen. Die Paare versprechen sich jeweils dessen Heilung, wenn es nach der Geburt des Geschwisterkindes aus dem Reagenzglas beispielsweise dessen Nabelschnurzellen erhalte.

Uwe Schlicht

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