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Das nächste Heft von Charlie Hebdo soll eine Millionenauflage haben. Das Bild zeigt Redakteure der Zeitschrift mit Kollegen der französischen Tageszeitung "Libération", die den Überlebenden von Charlie Zuflucht gibt.

© AFP

Pressefreiheit: Mehr als ein Gedanke

Wozu Bundespräsident Joachim Gauck mahnt, ist nicht nur seine Meinung. Es ist demokratischer Maßstab.

Na, wenn das nicht sein Thema ist! Bundespräsident Joachim Gauck und die Freiheit – das ist eine Herzensangelegenheit. Aber nicht nur. Es kann, durch die Umstände, tatsächlich zum bestimmenden Thema seiner Jahre im Amt werden. Denn das Amt ist der Entwicklung der Gesellschaft verpflichtet, und so, wie sich die Dinge entwickeln, sind im Jahr 25 der deutschen Einheit, der eine friedliche Freiheitsbewegung vorausging, wieder Freiheitsfragen zu beantworten.

Freiheit ist nur etwas wert, wenn wir sie auch nutzen

Hier also die Antworten, nach Gaucks kurzer Ansprache. Oder sagen wir so: Anhaltspunkte. Die Freiheit nicht einschränken, sondern sie gebrauchen, sagt er – ein schöner Satz, als Anleitung zum Freisein zu gebrauchen. Frei zu etwas zu sein, nicht nur von etwas. Höchstens von Angst, die Freiheit zu gebrauchen. Wir, die Gemeinschaft der Demokraten – noch so ein Begriff, der auszufüllen ist, gut sogar. Weil wir eine Gemeinschaft auf der Grundlage von Verfassung, Rechtsstaat und Menschlichkeit bilden. Wir als Citoyens, um es aus gegebenem Anlass französisch auszudrücken. Und in Erinnerung an die Errungenschaften der Bürgergesellschaft, der Zivilgesellschaft, französisch inspiriert: Wir werden nicht schwach bei Anfechtungen, und wir lassen uns nicht schwach machen. Allons! Wir sind entschlossen, die – ja, erkämpften – Werte mit aller Zivilität zu verteidigen, Bürger der Demokratie zu sein im besten Sinn.

Wir stehen in der Tradition des Hambacher Festes

Wir, das sind auch wir von der Presse. Es waren Journalisten, Siebenpfeiffer und Wirth, die zum Hambacher Fest 1832 einluden. Die schwarz-rot-goldene Kokarde ist ein Ehrenzeichen. In dieser Tradition stehen wir. Und dass es eine stolze ist, ist nicht verkehrt. Presse- und Meinungsfreiheit sind heute, mehr denn je, möchte man sagen, konstitutive Elemente der Demokratie.

Sie mit Füßen zu treten oder sich (im übertragenen Sinn) an ihren Vertretern die Schuhe abputzen zu wollen, zeugt von der falschen Einstellung. Die eine Gesinnung offenbart. Über die dann auch zu berichten ist. Über die aufzuklären ist, durchaus im Kant’schen Sinne: Was kann ich wissen? Was soll ich tun? Was darf ich hoffen?

Meinungsfreiheit ist allerdings nicht geistige Anarchie

Meinungsfreiheit! Der Ruf klingt nach Pathos. Und das klingt manchen wahrscheinlich jetzt hohl. Gut, dann vielleicht besser so: Meinungsfreiheit ist journalistisches Ethos – und täglicher Anspruch. Will sagen, dass sie jeden Tag aufs Neue errungen sein will. So anstrengend es sein mag. Rede und Gegenrede, Argument wider Argument, Diskussionen, Entscheidungsfindung im Diskurs. Doch, das geht. Täglich. Man sieht es an den Tageszeitungen.

Allerdings ist Meinungsfreiheit nicht geistige Anarchie, nicht Dominanz der Beliebigkeit. Jede Entscheidung bedeutet ja, sich von etwas zu scheiden. Darum werden nicht alle alles richtig finden, auch nicht in diesem Artikel, aber er steht heute hier, morgen wird es etwas anderes sein. In der Debatte errungen. Und findet man auch nicht alles richtig, so ist doch wichtig, dass es seinen Platz hat. Selbst die Grenzüberschreitung von Zeit zu Zeit. Um sich der eigenen Maßstäbe zu vergewissern und zu versichern. Maßstäbe der Demokratie, zu denen uns unser Staatsoberhaupt zu Recht mahnt.

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