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Russlands Präsident und Europa-Schreck Wladimir Putin.

© AFP

Presseschau zur Krim-Krise: Europa-Schreck Wladimir Putin

Strategische Partner sind zu strategischen Idioten geworden, Angst vor einem neuen Kalten Krieg geht um - und Deutschland steht jetzt in der Verantwortung. Das ist der Tenor einen Tag nach der Blut-und-Boden-Rede des russischen Präsidenten zur Krim.

Wladimir Putin hat mit seinem dramatisch inszenierten Auftritt im Kreml Eindruck gemacht - im Westen einen ziemlich negativen. Einhelliger Tenor ist außerdem: Die Krim gehört nun zu Russland und kommt nicht wieder. So heißt es auch im Kommentar der "Frankfurter Allgemeine Zeitung": "Von April an wird auf der Krim die russische Zeit gelten. Das wird der symbolische Schlusspunkt sein für einen geopolitischen Handstreich, der so präzise ablief wie das Uhrwerk einer "Poljot". Die unbeirrbare Kaltschnäuzigkeit, mit der Putin die Krim heim ins russische Reich holte und neue Grenzen in Europa zog, sucht ihresgleichen - und findet ihre Bewunderer, nicht nur in Russland."

"Strategische Partner" werden zu "strategischen Idioten"

Diese Bewunderung ist nach Ansicht der "FAZ" auch in der Person Putin begründt: "Denn Putin ist nicht nur ein Meister darin, Gegner, Konkurrenten und (ehemalige) „strategische Partner“ zu überraschen und sie damit wie strategische Idioten aussehen zu lassen. (...) [Putin]lebt in der Welt seiner eigenen Propaganda, und er handelt nach ihren Imperativen. Er denkt, das zeigen seine Äußerungen, in den Kategorien eines geopolitischen Nullsummenspiels, bei dem der eine immer so viel gewinnt, wie der andere verliert.
Auch die "Stuttgarter Zeitung" macht sich Gedanken darüber, was Russlands Präsidenten treibt. Und kommt zu dem Schluss: "Es ist der Wunsch nach Anerkennung. (...) Russland war einst ein Imperium, die Sowjetunion eine globale Großmacht. Heute steht Wladimir Putin nur noch einer rohstoffreichen Mittelmacht vor. Mindestens den Großmachtstatus will er wieder erlangen. Der Anschluss der Krim war da ein nicht von besonders langer Hand geplantes, aber dann doch höchst willkommenes Geschenk. In Russland kommt das an. Befragt, ob ihre Nation eine Großmacht sein soll oder ein Land mit hohem Lebensstandard, dafür aber weniger Einfluss, stimmten die meisten Russen für die machtvolle Alternative. Das ist nicht ungefährlich, denn Putin wird dadurch auch zu einem Gefangenen des eigenen Systems."

Die "Badische Zeitung" sieht - unabhängig von der Psyche Putins die Rede als gravierenden Einschnitt in der internationalen Politik: "Putin leidet entweder an Realitätsverlust oder aber er konstruiert bewusst einen geopolitischen Machtkampf. Mag sein, dass er als Retter russischer Größe in die Geschichte eingehen will. Mag sein, dass er mit nationalistischer Freund/Feind-Rhetorik auch bloß die eigene Autorität nach innen abzusichern hofft. So oder so zwingt er Europäer und Amerikaner dazu, ihn als gefährlichen Gegenspieler zu betrachten. Das Echo dieser Rede wird noch Jahre nachhallen."
Aber was ist jetzt zu tun? Für die "Bild" ist der Fall klar: Wladimir Putin führt wieder Kalten Krieg und der Westen schaut zu. Also: "Die Sanktionen müssen härter sein. Sofort. Ansage: Der Druck sinkt erst, wenn man sich auf Moskau wieder verlassen kann. Und er wird noch viel stärker, wenn Putin auch in der Ost-Ukraine eingreift. Dann kann nichts mehr gelten! Der Westen ist gleichfalls in der Pflicht: Er muss dafür sorgen, dass in der Ukraine schnell frei gewählt wird, geordnete und demokratische Verhältnisse einziehen. Es geht, so oder so: um Glaubwürdigkeit."

Glaubwürdigkeit ist das Stichwort auch für die "Augsburger Allgemeine". Dort ärgerst man sich besonders über den Vergleich Putins mit der deutschen Wiedervereinigung" "Jetzt tut Putin so, als habe er der Demokratie und dem Volkswillen auf der Krim zum Durchbruch verholfen. Dabei wurden andere Optionen, etwa eine erweiterte Autonomie für die Krim in der Ukraine, nicht einmal erörtert. In diesem Zusammenhang von einer Wiedervereinigung wie in Deutschland zu reden, ist absurd. Die Bürger der DDR haben sich 1989 die Freiheit in einer gewaltfreien Revolution erkämpft - ohne dass ein westdeutscher Soldat dort einmarschiert wäre. Die Krim wurde jedoch von Russland besetzt, ehe die Bürger gefragt wurden."

Europa fürchtet einen neuen Kalten Krieg

"De Telegraaf" aus Amsterdam fürchtet ebenfalls, dass nun ein neuer Kalter Krieg beginnt. "Putin ist nicht der erste Potentat in der Geschichte, der die Karte des Nationalismus zieht, um seine Macht zu legitimieren. Nach seiner Darstellung ist das russische Volk in den letzten Jahrzehnten wiederholt erniedrigt und ausgetrickst worden. Eine Botschaft, die bei den stolzen Russen mit ihren latenten Minderwertigkeitskomplexen runtergeht wie Öl. Putins Worte müssen sehr ernst genommen werden. Schließlich beweist die illegale Invasion der Krim, dass Putin nicht davor zurückschreckt, seinen Worten Taten folgen zu lassen. Ziemlich sicher ist dabei, dass die sanften Sanktionen, die der Westen nun angekündigt hat, den russischen Bären nicht beeindrucken.
Deshalb ist zu hoffen, dass Europa und die Bündnispartner in der Nato endlich wachgerüttelt werden durch die streitlustige Rhetorik aus dem Kreml und sich ernsthaft auf eine Periode vorbereiten, die durchaus den zweiten Kalten Krieg einläuten könnte."

Die konservative norwegische Zeitung "Aftenposten" fürchtet zudem, dass es nicht beim Anschluss der Krim alleine bleiben wird. "Nun gibt es keinen Zweifel mehr daran: Wladimir Putin sieht sich selbst als Russlands Retter, als der starke Führer, der das Unrecht der Geschichte berichtigen will. (...) Wenn man Putins Aussagen wörtlich nimmt, ist die Krim längst nicht das letzte Kapitel in dem Drama. Der nächste Abschnitt könnte die Ostukraine sein, wo die russischsprachige Bevölkerung schon begonnen hat, Erklärungen abzugeben, in denen sie um «Schutz« von der anderen Seite der Grenze bittet. Diese Geschichte hat Europa schon einmal gehört."
Dagegen sieht die liberale slowakische Tageszeitung "Sme" eher Putin als den Verlierer - zumindest langfristig: "Die Sanktionen des Westens können Wladimir Putin nicht den Schlaf rauben. Aber Russland werden die Investitionen fehlen, die jetzt abfließen, weil sich das Regime demaskiert hat. Putin hat die Krim gewonnen, die Russlands Wirtschaft jedoch nur belasten wird. Aber langfristig wird Putins Machtbasis gerade davon bedroht werden, dass er das Vertrauen des Westens in seine Berechenbarkeit als Partner verloren hat."
Auch der konservative Pariser „Le Figaro“ hält Putin nicht für den großen Gewinner in der Krim-Krise. "Um die Lage zu beruhigen könnte der Westen einen Dialog zwischen Kiew und Moskau fördern und sich für eine größere Autonomie der russischsprachigen Bevölkerung im Osten der Ukraine einsetzen. Der Westen sollte auch seine Hilfe für die neuen Regierenden in Kiew anpassen, um seinen Einfluss nicht zu verlieren. Putin hat zwar den ersten Satz gewonnen, hätte aber auf lange Sicht durch einen "Kalten Krieg" viel zu verlieren, weil dadurch die russische Wirtschaft geschwächt würde. Ganz nebenbei hat er den Europäern schon einen Dienst erwiesen: Sie haben endlich begriffen, dass sie ihre Abhängigkeit von russischen Energielieferungen verringern müssen."

"Le Monde" kritisiert indes ein bisher unzureichendes Agieren der Europäer in dem Konflikt: "Wladimir Putin hat allen Grund, zufrieden zu sein. Die Europäer haben nur minimal auf das Handeln des russischen Präsidenten auf der Krim reagiert. Moskau schneidet sich einen Teil der Ukraine ab, und die Europäer bleiben leise. Diese Lage ist gefährlich. (...) Wie so oft in der Außenpolitik ist die Brüsseler (Sanktions-)Entscheidung der kleinste gemeinsame Nenner der unterschiedlichen Länder. (...) Die EU behauptet, die Chance eines Dialogs mit Moskau über die Zukunft der Krim bewahren zu wollen. Sie nimmt damit das Risiko in Kauf, dass der Kreml die weiche Reaktion als Zeichen der Schwäche interpretiert. Europa könnte Putin dann dazu ermuntert haben, seinen ukrainischen Nachbar weiter zu zersplittern."

Deutschland besonders in der Verantwortung

Ähnlich sieht das der "Standard" aus Wien: "Putin geht so weit, wie man ihn gehen lässt. Mit seinem Machtinstinkt erkennt er jede Schwachstelle eines Gegners (nach eigener Definition) und nützt sie skrupellos. Dass die «sanfte Macht« EU bei einem solchen Spiel fürs Erste schlechte Karten hat, liegt auf der Hand. Eine militärische Option ist ausgeschlossen, wie die deutsche Kanzlerin Angela Merkel unmissverständlich klargemacht hat. Der abgestufte Sanktionsplan der EU ist eine realistische Antwort, die der Diplomatie die Türen offen hält. Aber auch hier gilt: Ein Gratisessen gibt es nicht. Der Zahltag wird kommen. Vielleicht schon bald - wenn Putin nach seinem Krim-Triumph auch die Ostukraine ins Visier nimmt. Dann muss die EU zu schärferen Sanktionen greifen und damit russische Vergeltungsmaßnahmen wie weniger und teureres Gas in Kauf nehmen. Das werden viele Unionsbürger spüren."

In der "New York Times" macht man sich vor allem Gedanken darüber, wie es nun mit der Ukraine und Russland weitergeht und fordert, "zuallererst sollten die USA und Europa klarmachen, dass "Herr Putin sich nicht dazu ermutigt fühlt, eine ähnliche Übernahme der Südost-Ukraine zu erwägen. (...) Jetzt sollten die USA und die EU weiter darauf drängen, Beobachter der OSZE oder der Vereinten Nationen in die Südost-Ukraine zu schicken. Zugleich dürfen sie keinerlei Zweifel aufkommen lassen, dass eine erneute russische Verletzung ukrainischen deutlich schmerzhaftere Sanktionen hervorrufen würde. Vor allen anderen muss dabei Deutschland - Russlands größter europäischer Handelspartner - keine Zweifel daran aufkommen lassen, dass es zu äußerst schmerzhaften wirtschaftlichen Schritten bereit ist." (AFP/dpa/TSP)

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