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Politik: Prima Klima für Innovation

Mit erneuerbaren Energien lässt sich Geld verdienen – und Zukunft gewinnen Von Martin Jänicke

Entgegen vielfacher Behauptung ist der Klimawandel nicht übertrieben, sondern offensichtlich unterschätzt worden. Zugleich befindet sich die internationale Klimapolitik in einem eher beklagenswerten Zustand. Dennoch mehren sich die Anzeichen, dass ein anspruchsvoller Klimaschutz zu vertretbaren Kosten erzielt werden kann, wenn er rechtzeitig erfolgt und als Innovationsstrategie verstanden wird.

Die deutsche Klimapolitik hat seit 1990 wichtige Erfolge erzielt. Die Schwierigkeiten bei der Umsetzung des KyotoProtokolls und das mehrjährige schwache Wirtschaftswachstum haben Stimmen laut werden lassen, die diese Rolle Deutschlands in Frage stellen. Internationale Klimapolitik solle nur noch „eins zu eins“ umgesetzt werden. Vom Bundesverband der deutschen Industrie (BDI) wurde unlängst auch gefordert, den zielorientierten Ansatz des Kyoto-Protokolls aufzugeben, weil dieser „gescheitert“ sei. Der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) hat soeben in einer ähnlichen Stellungnahme die aktive deutsche Position in der Klimapolitik in Frage gestellt. Hier ist eine Grundsatzdebatte fällig. Sie liegt auch nahe, weil neue Erkenntnisse deutlich günstigere Perspektiven anspruchsvoller Klimapolitik ergeben.

Bei der anlaufenden umfangreichen Kraftwerkserneuerung im Europa der 15 werden klimafreundlichere Technologien klar bevorzugt. Gebaut werden überwiegend moderne Gaskraftwerke. Erneuerbare Energien bilden die zweitgrößte Gruppe der Vorhaben. Bei der Europäischen Kommission ist neuerdings ein Übergang zu ökonomischen Argumenten für Technologien erkennbar, die zugleich dem Klimaschutz dienen. Grund ist vor allem die Explosion der Ölpreise und die für 2030 erwartete starke Zunahme der Abhängigkeit von Energieimporten. Angestrebt wird eine relative Energieeinsparung von 20 Prozent bis 2020. Dadurch werden jährliche Kosteneinsparungen von 60 Milliarden Euro erwartet.

Das von Deutschland maßgeblich mitinitiierte und finanziell geförderte Internationale Aktionsprogramm (IAP) der Bonner Konferenz Renewables 2004 sieht in seinen 197 Projekten die Steigerung der Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien auf 163 Gigawatt vor. Dies entspricht einem geschätzten Investitionsvolumen von 300 Milliarden Dollar und einer Kohlendioxid-Minderung von 1,2 Milliarden Tonnen. 42 Staaten haben ein förmliches Ausbauziel für erneuerbare Energien beschlossen; hinzu kommen 18 Bundesstaaten der USA.

International ist ein von Vorreiterländern ausgehender tendenzieller Wandel hin zu klimafreundlicheren Technologien zu verzeichnen. Er ist offenbar irreversibel geworden und gewinnt erheblich an Dynamik. Eine große Zahl führender multinationaler Unternehmen wie GE, BP oder Allianz haben sich dieser Entwicklung prononciert angeschlossen.

Innovationen im Klimaschutz bieten spezielle Chancen. Sie beziehen sich auf eine globale Problemlage und damit auf globale Marktpotenziale. Sie erfordern aber auch langfristig kalkulierbare Zielvorgaben. Ambitionierte und langfristig kalkulierbare Emissionsminderungsziele sind auch aus wettbewerbs- und industriepolitischer Sicht notwendig und sinnvoll. Ihre Festlegung muss rasch erfolgen, um Innovationsanstrengungen und Investitionsstrategien rechtzeitig in die richtige Richtung zu lenken. Dies macht die Weiterentwicklung des multilateralen, zielorientierten Klimaschutzregimes, also einen Folgevertrag zum Kyoto-Protokoll, zu einer strategischen Herausforderung.

Professor Martin Jänicke ist Leiter der Forschungsstelle für Umweltfragen an der Freien Universität Berlin und Mitglied im Sachverständigenrat für Umweltfragen.

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