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Politik: Prinzip Hoffnung

Die Betreiberfirma Tepco versucht in einem Wettlauf gegen die Zeit, die Atomreaktoren in Fukushima zu kühlen

Berlin - Im Kampf gegen den drohenden Super-Gau im japanischen Atomkraftwerk Fukushima ruhen die Hoffnungen nun auf einem Starkstromkabel. Mit Hilfe der Leitung sollen die Kühlpumpen der Reaktoren wieder in Gang gesetzt und damit das Schlimmste verhindert werden. Wann die etwa 1500 Meter lange Leitung angeschlossen wird, war unklar. Die Versorgung des Reaktors mit Elektrizität solle erst beginnen, wenn die Maßnahmen zur Wasserkühlung des Reaktors 3 von außen abgeschlossen seien, teilten die japanischen Behörden der IAEA mit. Nach einer Meldung der Nachrichtenagentur Kyodo könnte der Strom am Freitag oder Samstag im Reaktor Zwei angeschaltet werden. Nach Angaben der IAEA ist es aber unklar, ob das Kühlsystem des Reaktors noch so intakt ist, dass es mit Strom wieder in Gang gesetzt werden kann.

Die Vorbereitungen seien nicht so schnell vorangekommen, wie gehofft, räumte ein Sprecher der Betreibergesellschaft Tokyo Electric Power Company (Tepco) ein. Ein Kälteeinbruch behindere die Arbeiten. Am Freitagmorgen sollten diese gänzlich unterbrochen werden, damit Lösch-Hubschrauber der Armee und Wasserwerfer wieder für vorübergehende Kühlung der Anlagen sorgen könnten.

Doch was gegen Demonstranten hilft, hat am Donnerstag nicht geholfen, die Krise im Atomkraftwerk Fukushima Dai-ichi zu entschärfen. Der Versuch, das Brennelementebecken des Reaktors 4 und des benachbarten Reaktors 3 mit Wasserwerfern der Polizei wieder zu füllen, musste am Abend (Ortszeit) zunächst aufgegeben werden. Die Strahlenwerte waren zu hoch für den Einsatz. Anschließend versuchten die Helfer, das Atommaterial mit Wasserwerfern der Armee zu kühlen. Wie der öffentlich-rechtliche japanische Fernsehsender NHK berichtete, waren am Donnerstag zwei Fahrzeuge im Einsatz. Insgesamt habe die Armee dem Bericht zufolge fünf Wasserwerfer zu dem Kraftwerk entsandt.

Die Armee hatte bereits zuvor mit Hubschraubern Wasser und Borsäure über dem Abklingbecken des havarierten Reaktors 3 abgeworfen. Bei vier Einsätzen innerhalb von 20 Minuten sollte so erreicht werden, dass die Brennelemente im Abklingbecken wieder mit Wasser bedeckt und die von ihnen ausgehende Strahlung wieder abgeschirmt werden könnte. Die Betreiberfirma Tepco wertete den Einsatz als Erfolg, weil Wasserdampf aus dem überhitzten Reaktor aufstieg. Allerdings hatte der Betreiber zuvor auch einräumen müssen, dass keine Veränderung der hohen Strahlenwerte erkennbar sei.

Die Lage in Fukushima ist kritisch. Das größte Strahlenrisiko ging auch am Donnerstag von den Brennelementebecken der Reaktoren 3 und 4 aus. Nach Informationen des japanischen Atomindustrieforums Jaif ist der Füllstand des Abklingbeckens beim Reaktor 3 „niedrig“. Die Internationale Atomenergieorganisation (IAEO) hat keine Informationen über die Temperatur in dem Brennelementebecken. Aber seit Mittwoch stieg weißer Rauch, vermutlich Wasserdampf aus dem Abklingbecken, über dem Reaktor 3 auf. Im Reaktordruckbehälter selbst liegen die Brennstäbe etwa zweieinhalb Meter weit frei, heißt es bei der Industrievereinigung. Der Reaktor 3 ist mit Mox-Brennelementen beladen, vermutlich sind einige davon auch bereits im Abklingbecken. Diese Brennelemente enthalten zwischen zwei und fünf Prozent mehr Plutonium als andere verbrauchte Brennstäbe. Die Reaktoren 3 und 4 werden von einer gemeinsamen Hauptwarte aus gesteuert. Die letzte gemessene Temperatur im Brennelementebecken des Blocks 4 stammt vom 15. März. Damals lag sie bei 84 Grad. Normal sind nach Angaben der Gesellschaft für Reaktor- und Anlagensicherheit (GRS) etwa 25 Grad. Die japanische Nachrichtenagentur Kyodo berichtete hingegen, dass 40 Grad in Japan als normal gälten. Die japanische Atomaufsichtsbehörde Nisa hält es für die „höchste Priorität“, die beiden Brennelementelagerbecken der Reaktoren 3 und 4 wieder aufzufüllen. Über den genauen Zustand der Reaktorkerne in den Blöcken 1 und 2 gab es am Donnerstag keine neuen Informationen. Beide befinden sich in einem Stadium der Kernschmelze – nur weiß niemand genau, in welchem. Gelänge es den japanischen Ingenieuren, die beiden Reaktoren wieder kontinuierlich zu kühlen, würden jedenfalls die Chancen erhöht, dass sich die glühende lavaartige Masse aus Uranbrennstoff im Reaktordruckbehälter halten lässt – der inneren Schutzhülle.

Zumindest eine gute Nachricht gab es am Donnerstag aus Fukushima: Das Brennelementezwischenlager, ein weiteres großes Wasserbecken, in dem abgebrannter Brennstoff lagert, scheint seine Kühlfunktion noch nicht verloren zu haben. Rund 6000 Brennelemente lagern in diesem Zwischenlager; der dort lagernde Brennstoff ist schon etwas stärker abgeklungen.

Am Donnerstag kündigten Südkorea und Frankreich an, der japanischen Regierung Bor zu liefern. Das Element wird dem Meerwasser, mit dem die havarierten Reaktoren und die kochenden Brennelementebecken gekühlt werden, beigemischt.

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