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First Couple. Bettina und Christian Wulff vor Schloss Bellevue.

© dapd

Privat-Kredite: Bundespräsident in Erklärungsnot

Christian Wulff hat sich Geld geliehen, als er noch Ministerpräsident von Niedersachsen war. Dem Landtag hat er davon nichts erzählt. War das unrecht?

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Mit Christian Wulff ist die „Bild“-Zeitung immer nett umgegangen – als Ministerpräsident in Niedersachsen, erst recht als Bundespräsident. Am Dienstag aber, Wulff ist noch auf Staatsbesuch am Golf, erscheint das Blatt mit einer sehr unangenehmen Frage in großen Lettern: „Hat Wulff das Parlament belogen?“ Das Präsidialamt schickt ein Dementi; am Ende, wird aus Wulffs Umfeld sofort verbreitet, werde nichts an ihm hängen bleiben. Doch ganz so einfach ist die Sache nicht.

Was ist passiert?

Vor drei Jahren hat Wulff die Unterstützung von alten Freunden angenommen. Edith Geerkens, Frau des inzwischen pensionierten Osnabrücker Juweliers und Immobilien-Unternehmers Egon Geerkens, lieh dem damaligen Regierungschef von Niedersachsen 500 000 Euro als Privatkredit zu vier Prozent – ein günstiger Satz, etwa ein Prozent unter den damals marktüblichen Zinsen.

Das Ehepaar Geerkens kennt Wulff seit langem, der heute 68-jährige Egon Geerkens, Trauzeuge bei Wulffs erster Ehe, gilt als ein väterlicher Freund noch aus Kindertagen. Eine breitere Öffentlichkeit weiß von der Verbindung, seit die Wulffs 2009 Weihnachtsurlaub in Geerkens’ Haus in Florida gemacht hatten. Wulff und Frau flogen mit Air Berlin in der Businessklasse, mussten aber nur Economy zahlen. Das kostenlose Promi-Upgrade auf Veranlassung des damaligen Air-Berlin-Chefs Klaus Hunold war, wie Wulff später zerknirscht im Landtag einräumen musste, ein Verstoß gegen das strenge niedersächsische Ministergesetz.

Im Nachgang zu dieser Affäre stellten zwei Grüne im Landtag Fragen nach Spenden, Sponsorenleistungen und „geschäftlichen Beziehungen“ zwischen Wulff, Hunold und dem Unternehmer Geerkens. Die Landesregierung antwortete: „Zwischen Ministerpräsident Wulff und den in der Anfrage genannten Personen und Gesellschaften hat es in den letzten zehn Jahren keine geschäftlichen Beziehungen gegeben.“

Was wird Wulff vorgeworfen?

Das stimmt haarscharf, denn gefragt war nach Egon Geerkens. Das Geschäft war aber mit seiner Frau geschlossen. Genau daruf beruft sich jetzt auch Wulffs Sprecher: Die Frage sei im Landtag damals sehr präzise gestellt worden, „dementsprechend wurde die unmissverständliche Anfrage wahrheitsgemäß verneint“. Nun ist die Methode, unangenehme Fragen der Opposition dadurch abzubügeln, dass man sie strikt wörtlich nimmt, im Parlamentsalltag nicht ungewöhnlich. Die Grünen sehen trotzdem den Verdacht einer Täuschung. „Die wirklichen Abhängigkeiten sind im Nebel geblieben“, sagt Fraktionschef Stefan Wenzel, der 2010 die Frage gestellt hat. Linken-Fraktionschef Hans-Henning Adler nennt das Verhalten des damaligen Regierungschefs zwar „juristisch sauber“, fügt allerdings hinzu: „... aber moralisch zweifelhaft“. In Berlin gibt SPD-Fraktionsgeschäftsführer Thomas Oppermann zu bedenken: „Für einen Bundespräsidenten gelten ganz besondere Maßstäbe.“

Muss ein Minister- oder Staatspräsident wirklich ein besserer Mensch sein?

Die Maßstäbe für korrektes Handeln in Spitzenämtern sind nirgendwo festgeschrieben. Das macht die Frage danach für Politiker stets heikel – man kann über privat genutzte Bonusmeilen stolpern, aber auch Dienstwagenaffären überleben. Wulff selber hat die Latte sehr hoch gelegt: In jener Antwort auf die Grünen-Anfrage gibt er Anfang 2010 der Überzeugung Ausdruck, dass ein Politiker „jeden auch noch so vagen Verdacht der Annahme eines Vorteils oder gar der Beeinflussbarkeit in seiner Amtsführung vermeiden muss“.

Ganz so streng war er mit sich selbst dann aber doch nicht. Im Sommer darauf verbrachte der frisch gewählte Bundespräsident den Urlaub mit Frau Bettina und den Kindern in der Villa des AWD-Gründers Carsten Maschmeyer. Die Unterkunft war ordentlich bezahlt. Trotzdem sah Wulff selber ein, dass diese Art der Nähe zu dem umstrittenen Unternehmer mit dem neuen Staatsamt nicht gut vereinbar war. Was in Hannover noch als Beitrag zur Wirtschaftsförderung durchgehen mag – eine bis ins Private gehende, vom Parteibuch ganz unabhängige Verflechtung zwischen der jeweiligen Landesregierung und den lokalen Wirtschaftsgrößen –, frommt einem Bundespräsidenten eher nicht.

Wie begründen die Geldgeber ihren Kredit an Wulff?

Das Ehepaar rechtfertigt den Kredit für den Freund in Regierungsverantwortung heute gegenüber Stern.de und Spiegel Online mit einer Mischung aus Geschäftssinn und privater Gefälligkeit. „Christian musste sein Leben neu ordnen, und jeder weiß, dass Scheidungen teuer sind“, sagt Egon Geerkens. Wulff hatte sich 2007 von seiner ersten Frau scheiden lassen, 2008 hatte er erneut geheiratet. Aber dem Ehepaar Geerkens schien das Geschäft auch günstig – die vier Prozent hätten sie von einer Bank auch bekommen, sagt Edith Geerkens, aber der Anleger-Himmel verdüsterte sich gerade. „Die Bankenkrise begann, und man wusste doch nicht, wem man eigentlich noch Geld leihen konnte“, sagt ihr Mann.

So liehen sie die halbe Million an Wulff, auf fünf Jahre, aber früher ablösbar, wenn der Schuldner anderswo günstigeres Geld fände. „Das war ein ganz sauberes Geschäft“, sagt Geerkens. „Uns war geholfen und ihm auch.“ Pünktlich habe Wulff monatlich 1666 Euro Zinsen überwiesen, bis er im Juni 2010 ein „erheblich besseres Angebot“ der Stuttgarter BW-Bank erhalten habe. Die Umschuldung fand also kurz nach der Anfrage der Grünen im Landtag statt, was natürlich Zufall sein kann.

Irgendwelche Geschäftsbeziehungen zwischen ihm und Wulff, versichert Geerkens übrigens, habe es nie gegeben: „Erstens stammt das Geld von meiner Frau. Zweitens hat das Ganze nichts mit unserem Geschäft zu tun. Ich bin schließlich kein professioneller Geldverleiher.“ Ganz so klar getrennt scheinen die Geschäfte der Eheleute allerdings nicht zu sein. Im Jahr 2010, berichtet Spiegel Online, floss das Geld nach Geerkens’ Angaben von den Wulffs auf ein Konto, das ihm und seiner Frau gemeinsam gehört.

Für die Grünen im Landtag in Hannover ist der Fall mit dem Dementi aus der fernen Golf-Region denn auch nicht ausgestanden. „Unsere Anfrage ist damals von Christian Wulff offensichtlich nicht korrekt beantwortet worden“, sagt der Abgeordnete Wenzel.

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