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Privatisierungen in den EU-Krisenländern: Nicht ohne die Bürger!

Bei den von der Troika erzwungenen Notverkäufen in den EU-Krisenstaaten werden Milliarden verschleudert und die Bevölkerung wird von Entscheidungen ausgeschlossen. Das macht wirtschaftlich und gesellschaftlich keinen Sinn. Ein Kommentar.

Dieser Kommentar bezieht sich auf die Ergebnisse des Recherche- und Multimedia-Dossiers "Europoly - Privatisierung unter der Troika". Zum Dossier geht es hier.

Im Alltag ist es einfach: Wessen Taschen leer sind, der muss etwas verkaufen. Den Schmuck der Oma, das Haus, das Auto. Zwangslage nennt man so etwas. Ganz ähnlich sind die europäischen Kreditgeber mit den EU-Krisenstaaten umgegangen. Als Gegenleistung für die Notkredite müssen vor allem Griechenland und Portugal massig Staatsbesitz verkaufen. Ähnlich wie bei einer Zwangsversteigerung, bei der ein armer Bankrotteur sein Haus versetzt, gibt es auch in der EU Investoren, die den Staaten gerne das Eigentum billig abkaufen.

Jeder weiß, dass es in einer solchen Notlage schwierig ist, einen guten Preis auszuhandeln. Für den Normalbürger kann das schmerzhaft sein. Für Staaten allerdings ist es fatal. Zukünftig fehlen die Einnahmen aus den Gewinnen der verkauften Unternehmen, und wenn der Erlös zu niedrig ist, reißt das ein Loch in die öffentlichen Kassen. Das gilt bei den EU-Krisenstaaten besonders, weil das Geld nicht direkt in den eigenen Haushalt, sondern ausschließlich in den Schuldenabbau fließt. Diese Privatisierungen sind eine politische Entscheidung. Im Glauben, dass der Staat generell ein schlechter Manager ist, werden auch Verkäufe durchgewinkt, bei denen Milliarden Euro verschleudert werden.

Privatisierungen sind jedoch nur sinnvoll, wenn es eine hohe Nachfrage und einen Bieterwettbewerb unter den Investoren gibt. Also in wirtschaftlich guten Zeiten. Die Idee zu privatisieren, kommt aber meist dann auf, wenn schnell Geld gebraucht wird und keine anderen Einnahmequellen zur Verfügung stehen. Eben dann, wenn man aus volkswirtschaftlicher Sicht davon abraten müsste.

Für die Politik sind Privatisierungen attraktiv – auch in Deutschland. Sie versprechen sofortige Einnahmen. Mögliche Kosten stehen dagegen erst in der Zukunft an, wenn den privaten Unternehmen Geld für die ehemals staatseigenen Dienstleistungen gezahlt werden muss. Maut für die neue Autobahn, Miete fürs Schulgebäude, Abgaben für die Müllentsorgung. Auch das Bundesfinanzministerium von Wolfgang Schäuble prüft regelmäßig einen Verkauf der Staatsanteile bei Bahn, Telekom und Post. Verkehrsminister Alexander Dobrindt will marode Straßen unter Beteiligung von Privatunternehmen sanieren.

In Deutschland wird über solche Vorhaben heute kontrovers diskutiert, anders als zu Zeiten der Abwicklung der DDR- Staatsunternehmen. Die Skepsis in der Bevölkerung Privatisierungen gegenüber ist groß. Offene  Auseinandersetzungen darüber darf es nicht nur geben, wenn die wirtschaftliche Lage gut ist. In den EU-Krisenländern, speziell in Griechenland, sind solche zeitintensiven Prozesse vermieden worden. Die Privatisierungen waren Bedingung für die Kredite, also wurden sie umgesetzt. Sogar der Verkauf von Wasserwerken, ein Streitthema in ganz Europa, wurde an einen Treuhandfonds übertragen, auf dessen Entscheidungen das griechische Parlament keinerlei Einfluss hat.

Das ist undemokratisch. Wer öffentliches Eigentum verkaufen will, muss sich mit der Öffentlichkeit auseinandersetzen. Nicht immer entscheidet die sich am Ende für die Staatslösung, wie in Berlin das gescheiterte Volksbegehren für eine Rekommunalisierung der Stromnetze gezeigt hat. Aber gefragt werden muss sie.

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