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Gesetzlich oder privat? In Hamburg sollen Beamte erstmals echte Wahlfreiheit erhalten.

© Maurizio Gambarini/dpa

Krankenversicherung: Hamburgs Beamte bekommen erstmals die Wahl

Als erstes Bundesland will Hamburg seine Beamten frei zwischen privater und gesetzlicher Krankenversicherung entscheiden lassen. Rot-Rot-Grün in Berlin hält nichts von solchem Alleingang.

Das Ganze ist auch ein Feldversuch für bislang nicht nachprüfbare Behauptungen. Würden sich Beamte, wenn sie die freie Wahl hätten, lieber gesetzlich als privat krankenversichern? Entlastet ein hälftiger Zuschuss für Beamte in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) die Länder oder kommt den Steuerzahler die Gewährung von Beihilfe für Privatpatienten billiger? Profitieren die gesetzlich Versicherten von der neuen Kundschaft oder steigen dadurch ihre Beiträge? Und bedeutet die Wahlmöglichkeit tatsächlich den Anfang vom Ende der privaten Krankenvollversicherung (PKV)?

Hamburg macht für all dies nun als erstes Bundesland die Probe aufs Exempel. Künftig, so kündigte Gesundheitssenatorin Cornelia Prüfer-Storcks (SPD) an, sollen sich Beamte an der Alster auch ohne finanziellen Nachteil für eine gesetzliche Absicherung entscheiden können. Statt der üblichen Beihilfe für privatärztliche Behandlungskosten würde ihnen das Land dort dann ab Mitte 2018 auf Wunsch auch die Hälfte der GKV-Beiträge (oder die Hälfte des Basistarifs in der PKV) zahlen. Allerdings: Die Entscheidung für die Pauschale statt individueller Beihilfe wäre endgültig, ein Hin und Her nach persönlichem Vorteil bliebe ausgeschlossen.

"Eine Frage der Gerechtigkeit"

Es sei „eine Frage der Gerechtigkeit“, dass sich der Staat auch an den Krankheitskosten von gesetzlich versicherten Beamten beteilige, sagte Prüfer-Storcks . Für Beamte mit Kindern, Versorgungsempfänger oder Behinderte könne die GKV die bessere Alternative sein – weil dort keine Risikozuschläge erhoben werden und nicht berufstätige Familienmitglieder kostenfrei mitversichert sind.

Bisher können sich Beamte zwar auch jetzt schon gesetzlich versichern, sie müssen in der GKV aber – anders als Arbeitnehmer in der Privatwirtschaft – den vollen Beitrag zahlen. Das ist nicht nur wegen der im Schnitt doppelt so hohen Kosten unattraktiv. Als Privatversicherte profitieren beihilfeberechtigte Beamte auch von kürzeren Wartezeiten beim Arzt, mehr Klinikkomfort und leichterem Zugang zu Spezialisten.

Dennoch sind von den etwa 40 000 Hamburger Beamten rund 2400 schon jetzt gesetzlich versichert. Für sie wären aufgrund des neuen Gesetzes gleich mal 5,8 Millionen Euro als „Arbeitgeberbeitrag“ aufzubringen. Langfristig könne sich die Neuregelung aber als kostenneutral erweisen, meint die Gesundheitssenatorin. Schließlich entfalle bei den bisherigen Vorgaben ein „nicht unerheblicher Verwaltungsaufwand“ auf die Prüfung der Arztrechnungen und Ermittlung der Beihilfe.

SPD-Experte Lauterbach: Damit lässt sich auch richtig Geld sparen

So weit wie Karl Lauterbach will sich die Senatorin aber offenbar nicht vorwagen. Der Gesundheitsexperte und Fraktionsvize der SPD im Bundestag behauptet, dass Hamburg durch die Änderung richtig Geld sparen könne. Die Beihilfe könne das Land im Einzelfall monatlich zwischen 1000 und 2000 Euro kosten, rechnet er vor. Für dieselbe Person seien in der GKV nur rund 300 Euro aufzubringen.

Vor allem bei Pensionären gehe die PKV ins Geld, sagt Lauterbach. Schließlich stiegen mit dem Alter nicht nur die Gesundheitsausgaben, an denen sich das Land zu beteiligen habe. Auch der Beihilfeanspruch steige dann von 50 auf 70 Prozent. Im gesetzlichen System dagegen sinke der Arbeitgeberbeitrag mit dem Einkommen. „Wenn in wenigen Jahren die geburtenstarken Jahrgänge in Pension gehen, werden die Länder aufgrund der Beihilfeverpflichtungen große Probleme bekommen, die Schuldenbremse einzuhalten“, warnt der Experte.

Entsprechend „großartig“ sei der Weg, den Hamburg eingeschlagen habe, findet Lauterbach. Erstmals bekämen Beamte in Deutschland echte Wahlfreiheit. Davon profitierten beide Seiten. Der Weg führe „in Richtung Bürgerversicherung“. Und Hamburg sei „hier Vorreiter, dem die anderen Bundesländer folgen sollten.“

Thüringen erwägt einen ähnlichen Vorstoß

Tatsächlich wird der Vorstoß in Ländern mit ähnlicher Regierungskonstellation aufmerksam verfolgt. „Mit der Entscheidung wird in Hamburg die Gerechtigkeit in der Gesundheitsversorgung gestärkt“, findet etwa die Gesundheitsministerin im rot-rot-grün regierten Thüringen. Man werde im Land ebenfalls „über mögliche Wege diskutieren, ein echtes Wahlrecht für Beamtinnen und Beamte zu schaffen“, sagte Heike Werner (Linke) dem Tagesspiegel.

Im rot-grün regierten Bremen finden sie den Hamburger Vorstoß „inhaltlich richtig“, wollen aber erst mal abwarten. Und im Berliner Senat hält man trotz aller Sympathie nichts von Einzelaktionen. „Wir wollen nach wie vor den Einstieg in die solidarische Bürgerversicherung“, sagte Gesundheitssenatorin Dilek Kolat (SPD) dieser Zeitung. Sinnvoll könne das aber nur bundesweit geregelt werden. Eine entsprechende Bundesratsinitiative von Thüringen, Berlin und Bremen sei Anfang Juni ja leider gescheitert. Und unterschiedliche Regelungen würden Beamten den Wechsel zwischen Bundesländern erschweren.

In Berlin gibt es nach Senatsangaben derzeit rund 60. 000 Beamte. Davon sind nur 1100 freiwillig gesetzlich versichert, die mitversicherten Familienangehörigen eingerechnet sind es 3.500.

Beamtenbund sieht für Wahlfreiheit kein Bedürfnis

Auf die gescheiterte Initative verweisen auch die Kritiker des Hamburger Vorstoßes. Das Konzept widerspreche dem Bundesrecht, schimpft etwa der Hamburger Beamtenbund. Was ihn vor allem wurmt ist aber, dass seine Organisation damit kalt erwischt wurde. Vertrauensvolle Zusammenarbeit sehe anders aus, sagt Landesverbandschef Rudolf Klüver. Und behauptet rundheraus, dass von seiten der Beamten keinerlei Bedürfnis nach solcher Wahlfreiheit bestehe.

Der PKV-Verband ist ohnehin dagegen – schließlich stellen Beamte, Pensionäre und deren Angehörige bei den Privatversicherern fast die Hälfte der Kundschaft. „Beamten ein Wahlrecht einzuräumen, ist erklärte Strategie derjenigen, die am Ende eine Einheitskasse wollen“, behauptet ein Sprecher. Wenn deren Pläne aufgingen, könne am Ende keiner mehr frei wählen. „Die medizinische Versorgung wäre schlechter für alle und die Kosten gingen durch die Decke.“

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