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Für die EU, gegen den Präsidenten: Demonstranten in Kiew fordern mehr Hilfe von der EU und Sanktionen gegen die ukrainische Führung.

© dpa

Pro-Europäische Proteste: Ukrainische Regierung steht vor Misstrauensvotum

In der Ukraine gehen die pro-europäischen Proteste unvermindert weiter. Präsident Janukowitsch meldete sich am Montag im Fernsehen erstmals zu Wort und bat um Zurückhaltung. Er könnte schon bald die Flucht nach vorn antreten - und dem Land ein Bauernopfer präsentieren.

Der Weihnachtsbaum am Maidan wird zu einer Barrikade umgebaut. Geschützt von Metallplatten, Rohren und Paletten haben Tausende von Demonstranten mitten in Kiew ein Zeltlager errichtet. Mehr als 5000 Regierungsgegner hielten dort die ganze Nacht lang Wache. „Wir dürfen die Initiative nicht verlieren“, hatte am frühen Montagmorgen Boxweltmeister Witali Klitschko der Menge zugerufen. „Wir müssen das ganze Land mobilisieren“, forderte der Chef der Oppositionspartei Udar (Schlag).

Um sechs Uhr morgens stand er wieder auf der Matte und führte die Menge den Hügel hoch ins rund 700 Meter entfernte Regierungsviertel. Das Oppositionsbündnis „Aktionsgruppe des Nationalen Widerstandes“, dem neben Klitschkos Udar auch Julia Timoschenkos Partei Batkiwtschina (Vaterland) und die nationalistische Partei Swoboda (Freiheit) angehören, will mit der Blockade der Regierungsgebäude der Forderung nach der Demission der Regierung Mykola Asarow und einem Amtsenthebungsverfahren gegen Staatspräsident Viktor Janukowitsch Nachdruck verleihen.

Der tauchte Montagabend nach dreitägigem Schweigen aus der Versenkung auf und gab dem Staatsfernsehen ein Interview. „Jeder schlechte Friede ist besser als Krieg“, betonte er und forderte die Demonstranten auf, friedlich zu bleiben.

Ein am Sonntag ausgerufener Generalstreik wurde am Montag nur im Westteil des Landes und auch dort lediglich teilweise befolgt. Dies liegt an der angespannten materiellen Lage vieler Menschen. „Die soziale Situation hat sich mit der Wirtschaftskrise derart verschlechtert, dass es sich die meisten Ukrainer schlichtweg nicht leisten können, in der Woche zu demonstrieren“, erklärte der Oppositionspolitiker Juri Lutsenko in einem persönlichen Gespräch vor ein paar Tagen in Kiew.

Lutsenko, der 2004 die „Orangene Revolution“ mitorganisiert hatte, hoffte damals auf eine Million Demonstranten auf dem Maidan. „Seit der ,Orangenen Revolution’ weiß ich, dass das Volk die Geschicke der Ukraine wenden kann“, sagt er. Nun scheint es, dass die maximal halbe Million vom Sonntag bereits reichen könnte.

Der Druck von der Straße hat den ukrainischen Machtapparat nämlich zu einer politischen Lösungssuche gezwungen. Das zuständige Parlamentskomitee empfahl am Montagmittag mit großer Mehrheit die Absetzung der Regierung Asarow. Der Misstrauensantrag soll an diesem Dienstag im Parlament behandelt werden. Janukowitsch könnte damit die Flucht nach vorn versuchen. Der treue Technokrat Asarow würde als Sündenbock geopfert, der Drahtzieher im Präsidentenpalast bliebe zumindest vorerst an der Macht.

Immerhin dementierte der Nationale Sicherheitsrat das Gerücht, über die Ukraine würde bald der Ausnahmezustand verhängt. Der polnische Fernsehsender TVN24 meldete wiederum, am Stadtrand von Kiew seien zusätzliche Armeeeinheiten zusammen gezogen worden. Eine Bestätigung gab dafür gab es nicht.

Bestätigt hat sich dagegen am Montag das Rücktrittsgesuch des Chefs der Präsidialverwaltung, Sergej Liowotschkin. Laut dem Kiewer Politologen Michail Pogrebinski hatte Liowotschkin wohl den Befehl zur brutalen Räumung des Maidan am frühen Samstagmorgen gegeben. Daraufhin kamen am Wochenende im ganzen Land Hunderttausende zu Protesten gegen die Regierung und für die EU.

Die Außenminister Polens und Schwedens, Radoslaw Sikorski und Carl Bildt, stellten sich am Montag in einer Erklärung hinter die Demonstranten und bekundeten ihre Solidarität. Polen und Schweden hatten 2009 die Östliche EU-Partnerschaft ins Leben gerufen. Deutliche Worte fand am Montag auch Kommissionspräsident José Manuel Barroso. „Wir sagen sehr klar, dass die ukrainischen Behörden die demokratischen Freiheiten achten müssen, dazu zählt auch das Recht auf Demonstrationsfreiheit“, sagte Barroso.

Janukowitsch habe ihm am Telefon außerdem versichert, dass die Gewaltanwendung der ukrainischen Polizei während der Massenproteste untersucht werden solle. Janukowitsch wolle auch eine Delegation nach Brüssel schicken, um Aspekte des auf Eis gelegten Abkommens mit der EU für eine engere Partnerschaft zu debattieren. Sanktionen gegen die Ukraine plant die EU nach Angaben einer Sprecherin von Außenkommissarin Catherine Ashton derzeit nicht.

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