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Probleme für David Cameron: Tories fordern Veto gegen EU-Gesetze

Tory-Hinterbänkler haben in einem offenen Brief ihren Premierminister David Cameron attackiert. Die Debatte könnte Großbritanniens Regierung spalten. Worum geht es in dem Streit?

Es ist ein Affront gegen die europäischen Partner: 95 Tory-Abgeordnete haben ihren Parteichef und Premier David Cameron aufgefordert, dem britischen Parlament ein Vetorecht gegen neues und altes EU-Recht zu geben. Die Forderung forciert den Streit um die britische EU-Mitgliedschaft und soll Cameron zwingen, einen härteren Kurs in den Verhandlungen mit der EU einzuschlagen. Das könnte nicht nur zu einem massiven Streit zwischen Großbritannien und den EU-Partnern führen, sondern auch zum Bruch von Camerons Regierungskoalition aus europaskeptischen Tories und proeuropäischen Liberaldemokraten.

In einer der ersten Reaktionen auf den am Sonntag vom „Sunday Telegraph“ veröffentlichten Brief der Abgeordneten – die meisten von ihnen Hinterbänkler – bezeichnete Außenminister Wiliam Hague die Veto-Forderung als „unrealistisch“. „Wenn Nationalparlamente überall in Europa regelmäßig und einseitig entscheiden könnten, welche Stücke EU-Recht angewendet würden und welche nicht, würde der europäische Binnenmarkt nicht funktionieren.“ Vizepremier Nick Clegg von den Liberaldemokraten warf den Tories vor, Großbritanniens „wirtschaftlichen Selbstmord“ zu planen.

Derzeit verfügt das britische Parlament in EU-Fragen nicht über ein automatisches Widerspruchsrecht. Der Regierungschef kann ein Veto nur in bestimmten Bereichen wie der Verteidigungs- oder Haushaltspolitik einlegen. Der VetoVorschlag der Tories bezieht sich auf einen Bericht des Europaausschusses im Unterhaus, der auf einen Passus im EU-Vertrag verweist, nach dem die EU „wesentliche staatliche Funktionen“ respektieren müsse. Die Forderung ist Teil einer breiten Bewegung, die auf neue Souveränitätsgarantien für Großbritannien pocht.

Debatten um Immigration, die Freizügigkeit in Europa, die expansive Rechtsprechung des europäischen Gerichtshofs und neue EU-Regulierungen, die den Finanzstandort London bedrohen – das alles sind Punkte, die die Diskussion befeuern. Justizminister Chris Grayling will den Einfluss der EU-Menschenrechtsgesetzgebung auf die britische Justiz einschränken. So sollten Urteile des EU-Gerichts in Großbritannien nur den Status von „Empfehlungen“ haben. Einen EU-„Landraub“ befürchtet das Londoner Finanzzentrum, das Schaden auch von neuen Regelungen wie einer Bankenunion oder der Finanztransaktionssteuer erwartet. Andrea Leadsom, Gründerin der Tory-EU-Reformgruppe „Fresh Start“, warnte: „Von diesem Jahr an kann die Euro-Zone Nicht-Euro-Länder jedes Mal mit ihrer eingebauten Mehrheit überstimmen.“

Die Verfasser des Briefs werden durch die Furcht vor einem Wahldebakel getrieben. Der Initiator, Bernard Jenkin, warnte, die Tories könnten 2015 durch den Aufstieg der Anti-EU-Partei UKIP 50 Sitze verlieren – was Labourchef Ed Miliband zum Premier machen würde.

Im „Sunday Telegraph“ kritisierte Jenkin die fehlende Klarheit von Camerons Europapolitik, die ein EU-Referendum verspricht, bei dem sich Cameron aber für den Verbleib in der EU einsetzen will, sofern „einige Aspekte“ der Beziehung geändert werden. Cameron habe aber nicht erklärt, wie die neue Beziehung mit der EU aussehen solle. „Wenige werden bei der nächsten Wahl auf der Grundlage konservativ stimmen, dass wir nicht erklären wollen oder können, was wir eigentlich wollen“, warnte Jenkin.

Cameron versucht einen Kurs der „skeptischen Mitte“, der Liberaldemokraten so weit wie möglich an Bord hält und auf Kooperation reformwilliger EU-Partner setzt. Während EU-Offizielle Freizügigkeit als „nicht verhandelbare Grundlage der EU“ bezeichnen, signalisierte Sozialminister Iain Duncan Smith, Partnerländer wie Deutschland, die Niederlande, Italien und Österreich seien offen für die britischen Reformansätze. Duncan Smith schlug vor, EU-Immigranten zwei Jahre lang von Sozialhilfen auszuschließen. Auch Labour-Wirtschaftssprecher Chuka Umunna sagte: „Die EU-Väter dachten an Freizügigkeit für Arbeiter, nicht für Arbeitssuchende“ und regte an, Freizügigkeit auf solche einzuschränken, die bereits einen Job haben.

Auch Schatzkanzler George Osborne wird sich diese Woche auf einer vom EU-Thinktank „Open Europe“ veranstalteten EU-Reformkonferenz in London für Großbritanniens Verbleib „in einer reformierten EU“ aussprechen. Auch er deutet an, dass britische Reformvorstöße ein positives Echo hätten – unter anderem bei Lockerungen im Arbeitsrecht. Aber auch Osborne wird die Reformforderungen nicht offenbaren.

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