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Prominente Lesung: "Diese Botschaft weitertragen"

Nach dem Skandal um die Buchverbrennung von Pretzien lesen Prominente aus dem "Tagebuch der Anne Frank". Letzte Woche wurde das berühmte Tagebuch beim Sonnwendfest in Sachsen-Anhalt öffentlich verbrannt.

Schönebeck - Rund 200 Schüler in der Schönebecker Berufsschule hören konzentriert und ruhig zu. Es gibt an diesem Donnerstag ausnahmsweise keinen Fachunterricht. Stattdessen lesen Politiker und Prominente aus dem "Tagebuch der Anne Frank", jenem Buch, das vor einigen Wochen bei einer Sonnenwendfeier im nahe gelegenen Pretzien verbrannt wurde. Nun tragen Ministerpräsident Wolfgang Böhmer, Landtagspräsident Dieter Steinecke (CDU), der amerikanische Generalkonsul Mark D. Scheland, Justizministerin Angela Kolb (SPD) und Schauspieler Peter Sodann aus dem weltberühmten Band der Literaturgeschichte vor.

Sehr berührt sind Schüler, Lehrer und Gäste, als der Film vorgestellt wird, den künftige Kinderpflegerinnen während eines deutsch-polnischen Schülerprojekts im Konzentrationslager Majdanek gedreht hatten. "Wir haben das Gedicht von Johannes R. Becher 'Kinderschuhe von Lubmin' verfilmt", erläutert eine Schülerin. Nach dem Film ist es noch stiller als zuvor.

"Ich kannte das Buch bisher nicht. Wir haben es auch nicht in der Schule behandelt", sagte ein 18-Jähriger aus dem Burgenlandkreis. Sein Nachbar kennt es aus der Schule. "Bei uns war es Pflichtlektüre". Beide fanden die Lesung gut und sind betroffen vom Film ihrer Mitschülerinnen.

Auch Böhmer ist mit der Veranstaltung zufrieden. Ein Zeichen gegen Rechtsextremismus und Antisemitismus habe er mit der Lesung setzen wollen. Die geplante Diskussion mit den Schülern kommt allerdings nicht zustande, nur ein paar kurze Statements. Aber das führt Böhmer darauf zurück, dass die Schüler einfach zu schüchtern gewesen seien.

"Ich hoffe, dass Sie die Botschaft weitertragen", wendet er sich an die 17- bis 18-Jährigen, die aus vielen Teilen Sachsen-Anhalts kommen. Der Ministerpräsident hat mehrere Stapel des "Tagebuch der Anne Frank" mitgebracht und übergibt sie dem Schulleiter mit der Bitte, Schüler, die besondere Zivilcourage gezeigt hätten, damit zu ehren.

Nach weiteren Aktionen gefragt, gibt sich Böhmer zurückhaltend. Er wolle sich zunächst mit den Einwohnern von Pretzien treffen, um ihre Sicht zu erfahren und darüber zu sprechen, was geschehen müsse, um solche Vorfälle in Zukunft zu verhindern. "Nachdem die Schlagzeilen vergessen sind, ist es sehr wichtig, dass wir noch einmal zusammenkommen", sagt der amerikanische Generalkonsul.

Am Abend sollte in Schönebeck der Auftakt für ein Training zur Zivilcourage gegeben werden. Das sei aber schon vor dem Vorfall von Pretzien geplant worden, teilte der Verein "Miteinander" mit. Der Vorsitzende des Vereins, Hans-Jochen Tschiche, forderte eine abgestimmte Strategie, die die Probleme offen benennt. Er sprach sich für einen "Runden Tisch Demokratieentwicklung" im Landkreis aus.

Gegen die sechs Tatverdächtigen im Alter zwischen 23 und 28 Jahren, die am 24. Juni in Pretzien eine Ausgabe des "Tagebuchs der Anne Frank" und eine amerikanische Flagge verbrannt haben, ermittelt unterdessen die Staatsanwaltschaft wegen Volksverhetzung. (tso/ddp)

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