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Propagandaschlacht um "Mavi Marmara": Krise zwischen Türkei und Israel könnte eskalieren

Israelische und türkische Ermittler sind zeitgleich mit gegensätzlichen Berichten zur "Mavi Marmara" an die Öffentlichkeit gegangen. Zudem könnte ein Film über die Ereignisse auf dem im Mai vergangenen Jahres von Israelis geenterten Schiff die Krise vertiefen.

Man könnte meinen, es habe zwei verschiedene Schiffe namens "Mavi Marmara" gegeben, die Ende Mai vergangenen Jahres auf dem Weg zum Gaza-Streifen von israelischen Soldaten geentert wurden. Israelische und türkische Ermittler gingen jetzt zeitgleich mit völlig gegensätzlichen Berichten zum Ablauf der Ereignisse an die Öffentlichkeit - und machten die jeweils andere Seite für den Tod von neun Menschen verantwortlich. Die Propagandaschlacht lässt eine Wiederannäherung der früheren Partner Türkei und Israel bis auf weiteres undenkbar erscheinen. Ein neuer Kinofilm über die Ereignisse auf der "Mavi Marmara", der auch in Deutschland für Wirbel sorgt, könnte die türkisch-israelische Krise noch weiter vertiefen. Und ein neuer Schiffskonvoi ist auch schon in Vorbereitung.

Der Angriff auf die "Mavi Marmara" war völkerrechtlich korrekt, lautete das Fazit des israelischen Untersuchungsberichts. Die Kommission erklärte, die Soldaten hätten sich an Deck des Schiffes gegen die "extreme Gewalt" der Aktivisten an Bord wehren müssen.

Als "Auftragsarbeit" wies der türkische Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan den israelischen Untersuchungsbericht zurück. "Für mich ist dieser Bericht wertlos." Die Türkei hat ihre eigene Untersuchungskommission. Und die reagierte "mit Bestürzung" auf die Ergebnisse des israelischen Gremiums. Der Angriff in internationalen Gewässern sei klar völkerrechtswidrig gewesen. Laut dieser Version töteten die Israelis mit Schüssen aus Hubschraubern zwei Menschen an Deck, noch bevor sie die "Mavi Marmara" überhaupt betraten.

Im Streit um die Ereignisse auf der "Mavi Marmara" fühlt sich Ankara durch einen im September veröffentlichten Bericht des UN-Menschenrechtsrates bestärkt. Der Rat hatte Israel schwere Vorwürfe gemacht. Tel Aviv betrachtet das Gremium allerdings als anti-israelische Veranstaltung und lehnte eine Zusammenarbeit ab. Ein Bericht eines weiteren, von UN-Generalsekretär Ban Ki-moon eingesetzten UN-Ausschusses steht noch aus.

Ob Bans Kommission einen salomonischen Weg finden kann, um den Streit zu beenden, ist fraglich. Zu unversöhnlich stehen sich türkische und israelische Politiker gegenüber. Erdogan fordert als Vorbedingung für eine Normalisierung der Beziehungen eine Entschuldigung Israels und Entschädigungszahlungen an die Familien der Opfer. Der israelische Premier Binjamin Netanjahu lehnt beides ab.

Nicht nur deshalb sieht es derzeit eher nach einer weiteren Eskalation als nach einer Beruhigung des türkisch-israelischen Verhältnisses aus. Ende dieser Woche kommt ein mit stark anti-israelischen Tönen und Bildern gewürzter türkischer Action-Film in die Kinos, in der fiktive türkische Agenten die Opfer der "Mavi Marmara" rächen. In "Tal der Wölfe - Palästina" räumt der türkische Geheimdienstler Polat Alemdar mit den Israelis auf. Schon in den vergangenen Jahren hatte die "Wölfe"-Reihe, die als Fernsehserie und als Folge von Kinofilmen gleichermaßen erfolgreich ist, mit ihren nationalistischen und oft anti-israelischen und anti-amerikanischen Botschaften für Empörung gesorgt.

Diesmal hat der Wirbel schon vor dem Kinostart des neuen Reißers begonnen. In Deutschland kritisierten laut der Zeitung "Die Welt" Politiker von Union, SPD und Grünen, dass der anti-israelische Actionfilm ausgerechnet am Holocaust-Gedenktag am 27. Januar in die bundesdeutschen Kinos kommen soll. In der Türkei läuft der Streifen einen Tag später an und dürfte einen Nerv treffen. Einer kürzlichen Umfrage des "Wall Street Journal" zufolge betrachtet jeder vierte Türke den Staat Israel als Bedrohung.

Auch auf hoher See könnte es neue Irritationen geben. Die islamische Hilfsorganisation IHH, die den Schiffskonvoi der "Mavi Marmara" organisiert hatte, erklärte am Montag, sie werde im Frühsommer eine weitere Flottille auf die Reise schicken. Flaggschiff soll erneut die "Mavi Marmara" sein.

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