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Sabine Leutheusser-Schnarrenberger.

© dapd

Protest gegen ACTA: Kehrtwende in letzter Minute

Sie hatte dem Abkommen zuerst zugestimmt. Jetzt stoppt Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger die deutsche Zustimmung zu ACTA.

Von Antje Sirleschtov

„Sollen wir Acta nun unterschreiben oder nicht?“ So oder so ähnlich könnte Angela Merkel am Vormittag des 30. November 2011 gefragt und dann in die Runde der Kabinettsmitglieder geblickt haben. Worauf sich alle Blicke unmittelbar auf Sabine Leutheusser-Schnarrenberger gerichtet hätten. Schließlich ist die FDP-Justizministerin in der Bundesregierung nicht nur für Fragen des Urheberrechts und damit für das Anti-Netzpiraten-Abkommen Acta zuständig. Ihr Ministerium hatte die internationale Vereinbarung auch über Jahre hinweg mit verhandelt. Und das ganz offensichtlich im Interesse Deutschlands. Denn der endgültigen Fassung des Abkommenstextes, so lautete die Empfehlung der Justizministerin an jenem letzten Mittwoch im November, könne Deutschland bedenkenlos zustimmen. Worauf das Kabinett Schnarrenberger folgte und die deutsche Unterschrift unter Acta formal beschloss.

Wie man seit Freitag weiß, muss sich die Justizministerin irgendwann in den letzten acht Wochen umentschieden haben. Anfang letzter Woche nämlich wies sie ihre Fachabteilung an, dem deutschen EU-Botschafter in Brüssel, der formal dem Außenminister untersteht und sich nach dem Kabinettsbeschluss im November darauf vorbereitet hatte, das Acta-Abkommen zu unterzeichnen, die Genehmigung dafür wieder zu entziehen. Letzten Freitag wurde die Sache publik. Seit Montagmittag herrscht miese Stimmung in der Koalition.

Was, fragt man sich seither in der Union, hat Sabine Leutheusser-Schnarrenberger dazu bewogen, diesen aufsehenerregenden Schritt zu tun?

"Die Kritik an dem Abkommen können wir nicht nachvollziehen", sagte Schnarrenberger damals

Und vor allem: Warum wurde die Bundesregierung, zumindest der Unionsteil, davon überrascht? Schließlich hat es einen formalen Kabinettsbeschluss in der Sache gegeben. Und einen solchen Beschluss auf eigene Faust aufzuheben, ist zumindest ungewöhnlich. Selbst wenn nach dem Beschluss im November schwerwiegende Hinderungsgründe für die deutsche Unterschrift aufgetaucht wären, die die Justizministerium vorher nicht gesehen hat: Die Regierung hätte darüber informiert werden müssen. Am vergangenen Mittwoch hat das Kabinett getagt, es wäre dazu Gelegenheit gewesen. Schnarrenberger hätte der Kanzlerin nicht mal selbst über ihre neuen Zweifel Bericht erstatten müssen. Auch Vizekanzler Philipp Rösler (FDP) wusste zu diesem Zeitpunkt bereits von den Plänen seiner Parteifreundin. Er hätte Merkel ansprechen können. Doch offenbar geschah nichts. Als die deutsche Haltung am Freitag bekannt wurde, war die Überraschung groß und der Ärger auch. Und zwar so groß, dass Merkels Sprecher Steffen Seibert auch am Montag darauf alles unterließ, was den Dissens in der Koalition hätte bemänteln können. „Notwendig und richtig“, sagte er, sei das Vertragswerk.

Welche inhaltlichen Kritikpunkte die FDP-Ministerin dazu bewogen haben, sich den massenhaften Protesten der Internetgemeinde gegen Acta zu beugen, ist bis jetzt noch nicht klar. Vor zwei Wochen jedenfalls kann es sie noch nicht gegeben haben. Am 31. Januar nämlich trat Sabine Leutheusser-Schnarrenberger der Kritik, Acta schränke Freiheitsrechte ein, noch vehement entgegen. Die Kritik an dem Abkommen, sagte sie, „können wir nicht nachvollziehen“.

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