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Protest in Frankreich: Pflastersteine und Tränengas

Schwere Krawalle haben erneut die Proteste gegen den Abbau des Kündigungsschutzes in Frankreich überschattet. Nach einer vorläufigen Bilanz der Polizei wurden fast 500 Randalierer festgenommen.

Paris - Allein in Paris waren es mehr als 380 Festnahmen. Unter den Sicherheitskräften habe es 9 Leichtverletzte gegeben. Es seien insgesamt 32 Demonstranten verletzt worden. Von ihnen mussten 26 ins Krankenhaus gebracht werden.

In der französischen Hauptstadt hatten Gewalttäter die Polizei mit Pflastersteinen und Flaschen beworfen, die Beamten setzten Tränengas ein. Auch am fünften Protesttag mobilisierten die französischen Gewerkschaften und Studentenverbände wieder Millionen Menschen. Sie gehen damit gestärkt in Verhandlungen über die umstrittene Arbeitsrechtsreform.

Heute wollen sich erstmals seit Beginn des Konflikts vor rund zwei Monaten Vertreter von vier Gewerkschaften in getrennten Gesprächen mit führenden Parlamentariern der Regierungspartei UMP treffen. Gewerkschaftsführer kündigten nach französischen Medienberichten vom Dienstag bereits an, dass sie erneut ein Zurückziehen des Gesetzes über den Ersteinstellungsvertrag (CPE) verlangen würden. Auf eine Gesetzesänderung wollten sie sich nicht einlassen. UMP-Politiker erklärten, sie wollten sich die Vorstellungen der Gewerkschafter anhören und «vorurteilsfrei» diskutieren. Der Fraktionschef der Regierungspartei UMP, Bernard Accoyer, hatte Gewerkschaften, Schüler und Studenten eingeladen, über die Arbeitsrechtsreform zu sprechen.

In mehreren Städten, darunter Paris, Lille, Nantes und Rennes kam es am Dienstag zu schweren Auseinandersetzungen zwischen Demonstranten und Polizei. Beamte in Zivil, die sich unter die Demonstranten gemischt hatten, verfolgten die Randalierer. In Paris war die Polizei erneut verstärkt worden - 4000 Mann waren im Einsatz.

Zu den Kundgebungen von Le Havre bis Marseille und Nantes bis Reims strömten ebenso viele oder mehr Gewerkschafter, Schüler und Studenten als am 28. März, als zwei Millionen Franzosen auf die Straße gegangen waren. Nach Gewerkschaftszählung waren es in Paris erneut 700 000 und im gesamten Land 3,1 Millionen. Nach Angaben des Innenministeriums demonstrierten insgesamt etwas mehr als eine Million Menschen gegen die Arbeitsreform.

Die Gewerkschaften sprachen von einem neuen Erfolg ihrer Mobilisierung. Dagegen wurden die Streikaufrufe weniger befolgt als vor einer Woche. Starke Behinderungen gab es vor allem im Bahnverkehr. Je nach Region fielen 40 bis 60 Prozent der Züge aus. Etwa sieben von zehn TGV-Schnellzügen fuhren aber normal, internationale Strecken waren kaum betroffen. Der Nahverkehr, der zuletzt in 76 Städten betroffen gewesen war, wurde diesmal nur in 32 Städten gestört und lief in Paris weitgehend normal. Behinderungen im Flugverkehr konzentrierten sich auf Regionalverbindungen. Arbeitsniederlegungen gab es auch bei der Post, an Schulen, in Medien und im Öffentlichen Dienst.

Die Gewerkschaften und Studentenverbände wollen mit den Protesten dem Gesetz zum Ersteinstellungsvertrag (CPE) «den Todesstoß versetzen». Präsident Jacques Chirac hatte das Gesetz am Sonntag mit der Maßgabe in kraft gesetzt, es nicht anzuwenden. Stattdessen soll die Regierungspartei UMP die Reformgegner anhören und eine Neufassung erarbeiten. Der Chef der Gewerkschaft CGT, Bernard Thibault, bestand am Dienstag aber darauf, das Gesetz abzuschaffen. Darüber könne man nicht verhandeln. «Wir fordern alle dasselbe: die Rücknahme des CPE», sagte auch der Chef der Gewerkschaft Force Ouvrière, Jean-Claude Mailly.

«Das ist nicht nur ein französisches Problem, ganz Europa engagiert sich gegen dieses CPE-Projekt», sagte John Monks, der Generalsekretär des Europäischen Gewerkschaftsbundes (EGB), in Paris. Der von Chirac vorgeschlagene Kompromiss zum CPE sei nicht akzeptabel. «Es gibt ein vergleichbares System in Griechenland, und wir wissen, dass sich Deutschland und die Niederlande für diesen Plan von (Premierminister) Dominique de Villepin interessieren.»

Nach einer Umfrage ist Villepin auf einen neuen Tiefstand an Beliebtheit seit seinem Amtsantritt vor zehn Monaten abgestürzt. 45 Prozent wünschten seinen Rücktritt, 49 Prozent sein Ausharren. Auch Chiracs Haltung stößt auf Unverständnis. In Umfragen erklärten sich sechs von zehn Befragten solidarisch mit der Protestbewegung. 71 Prozent meinten, Chirac trage zur Radikalisierung der Proteste bei. (tso/dpa)

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