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Proteste gegen die Rentenkürzung: In Frankreich wird der Sprit knapp

Die Proteste gegen Nicolas Sarkozys Rentenreform lähmen das Frankreich immer mehr – ein Ende ist nicht abzusehen. Nun droht sogar der Sprit auszugehen.

Die Streiks in Frankreich spitzen sich zu. Wegen der Proteste gegen die Rentenreform droht nun sogar der Sprit auszugehen. Nach Hamsterkäufen fehlt an vielen Tankstellen schon das Benzin, und die Treibstoffknappheit ist zum Problem für den Flugverkehr geworden, die Kerosinversorgung der Pariser Flughäfen ist gefährdet. Frankreichs Medien schlagen schon Alarm, wie am Wochenende die Zeitung „Le Journal du Dimanche“, die auf ihrer Titelseite die Situation als „Benzinkrieg“ beschrieb.

Alle zwölf Raffinerien des Landes sowie mehrere Treibstoffdepots sind von Streiks und Blockaden betroffen. „Viele Tankstellen sind geschlossen, weil sie keinen Nachschub bekommen“, sagte ein Vertreter des Kraftstoffimportverbandes UIP. Transportstaatssekretär Dominique Bussereau sagte am Samstag, die Treibstoffvorräte auf dem Flughafen Roissy Charles de Gaulle reichten nur noch bis Anfang der Woche. Die Regierung suche aber nach Möglichkeiten, um die Versorgung dennoch zu sichern. Am Flughafen Orly im Süden der Stadt soll es dagegen noch Reserven für zwei Wochen geben.

Die Ölleitung, die die beiden Pariser Großflughäfen versorgt, ist von Streikenden stillgelegt worden. Die zivile Flugbehörde empfahl Maschinen aus dem Ausland deshalb, vor dem Flug nach Frankreich genügend Treibstoff zu tanken, um in Roissy nicht nachtanken zu müssen. Wirtschaftsministerin Christine Lagarde versuchte angesichts der Blockaden am Samstag zu beruhigen: „Keine Panik. Ich bin sicher, dass wir die Situation entspannen können.“ Mit dem Benzinkrieg haben die Streikenden erreicht, was Millionen Demonstranten auf Frankreichs Straßen nicht gelungen ist: Sie haben die Regierung aus der Reserve gelockt. Einige Benzindepots wurden mit Polizeigewalt geräumt, doch das nützte wenig, dafür wurden neue bestreikt. Und nun droht eine weitere Gruppe, die das Leben im Land massiv beeinflussen kann, mit Streiks. Die Lastwagenfahrer kündigten für Montag Blockaden an. Sie könnten wichtige Straßen und Lagerhäuser blockieren.

Frankreichs Staatspräsident Nicolas Sarkozy aber erklärt seit Wochen, dass er an der Rentenreform festhalten will. Dabei geht es vor allem um die Erhöhung des Rentenalters von 60 auf 62 Jahre und die Erhöhung der Altersgrenze, ab der es eine Rente ohne Abschlag geben soll – von 65 auf 67 Jahre. Die Rentenreform ist ein zentrales Projekt der konservativen Regierung. Sarkozy kann daher kaum nachgeben. Denn dann wäre seine Position als durchsetzungsstarker Präsident im Hinblick auf eine mögliche neue Kandidatur im Jahr 2012 geschwächt.

Schon seit einigen Tagen spitzt sich die Situation allerdings erheblich zu, und das nicht nur durch die Blockaden der Raffinerien. Nach Angaben des Erziehungsministeriums werden auch 300 Schulen bestreikt, Schülergewerkschaften sprechen sogar von 900. Und überall gehen die Jugendlichen auf die Straße. Bei den Demonstrationen lieferten sich die Jugendlichen in vielen Teilen des Landes schon Straßenschlachten mit der Polizei. Mehr als 20 Polizisten wurden verletzt. Die Behörden befürchten Jugendkrawalle, denn im Gegensatz zu den Angestellten hat die Jugend an Streiktagen keine Verdienstausfälle zu befürchten und sorgte schon häufiger in Frankreich dafür, dass Proteste sich in die Länge zogen.

Auch am Samstag gab es an vielen Orten wieder Großdemonstrationen – schon zum fünften Mal seit Anfang September. Die Polizei zählte gut 800 000, die Gewerkschaften drei Millionen Menschen. In jedem Fall waren es weniger als bei den vorherigen Aktionstagen. Für den kommenden Dienstag haben die Arbeitnehmervertreter auch wieder zum Generalstreik aufgerufen.

Langsam erinnert die Situation an das Jahr 1995, als ganz Frankreich zwischen November und Dezember einen Monat lahm lag. Auch damals ging es um eine geplante Rentenreform. Diese musste von der Regierung unter Premierminister Alain Juppé zurückgenommen werden. Juppé hat sich nie mehr von dieser politischen Niederlage erholt. Doch heute ist die Lage anders. Die Streikenden haben nicht mehr viel Zeit. Denn am Mittwoch soll der Senat weiter über die wesentlichen Teile der Rentenreform abstimmen. Bis Ende des Monats soll sie verabschiedet sein, was aufgrund der Mehrheitsverhältnisse kein Problem sein dürfte.

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