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Ein Polizist überwacht in Khartum Aufräumarbeiten, nachdem Demonstranten am Sonntag hier eine Markthalle angezündet hatten

© AFP

Proteste im Sudan: Arabischer Frühling in Khartum

Mehrere Demonstranten sterben bei gewaltsamen Unruhen im Sudan. Was zunächst als Protest gegen erhöhte Benzinpreise begann, ist längst ein Aufmarsch gegen Präsident Omar al-Baschir. Das afrikanische Land könnte seinen eigenen Arabischen Frühling erleben - mit einem Unterschied.

Die Zutaten erinnern an den "Arabischen Frühling": Im Volke entzündet sich Protestwille, aus Hunderten werden Tausende Demonstranten. Dann antwortet die Regierung des Despoten mit gesperrtem Internet, Pressezensur und Polizeigewalt - schließlich sterben Demonstranten. Was seit gut einer Woche im Sudan passiert, erinnert stark an die Protestbewegungen in Tunesien, Ägypten und Libyen aus dem Jahr 2011 - und hat dennoch seine ganz eigene Dynamik. Binnen einer Woche sind mindestens 33 Menschen getötet worden, längst fordern die Demonstranten den Sturz von Staatschef Omar al-Baschir.

Dieser hatte am Montag vergangener Woche die Streichung von Kraftstoffsubventionen angekündigt. Statt bisher rund 55 Eurocent soll der Liter Benzin nun 92 Eurocent kosten. Im Volk hatte das Unruhen ausgelöst, mehrere Menschen gingen in Khartum auf die Straße. Der sudanesische Informationsminister Ahmad Bilal Osman gab an, man habe mit "Unruhen" gerechnet, wolle aber an der Streichung festhalten: "Unsere Wirtschaft kann sich derartige Unterstützung nicht leisten. Wir wissen, dass es für die Bevölkerung etwas hart ist." Die Nationalkongresspartei (NCP) von Präsident Baschir stärkt mit den Petrogeldern vor allem die Armee und die Wirtschaftseliten des Landes.

Die Proteste gegen den harten Wirtschaftskurs hatten sich bis zum Wochenende daher ausgeweitet; längst wollen die Demonstranten auch Baschirs Rücktritt . Mehrere Tausend Menschen gingen am Samstag und Sonntag vor allem in der Landeshauptstadt Khartum und in Port Sudan auf die Straße. Sie brandmarkten Baschir als "Mörder" und riefen den gleichen markigen Dreiklang, der auch schon auf den Straßen von Tunis bis Damaskus zu hören war: "Das Volk! Will! Den Sturz des Regimes!"

Mindestens 33 Menschen sterben bei Demonstrationen in Khartum

Bei den Demonstrationen wurden nach Regierungsangaben bisher 33 Menschen getötet, nachdem Sicherheitskräfte scharfe Munition - die auch aus Deutschland stammt - eingesetzt hatte. Menschenrechtsaktivisten sprechen von mindestens 100 Toten seit Beginn der Proteste. Das Innenministerium kündigte an, den bislang 600 Festgenommenen werde "wegen Vandalismus" der Prozess gemacht. Denn offiziell versucht die Regierung die Demonstranten bisher als Unruhestifter darzustellen. So rechtfertigt Informationsminister Bilal die harten Polizeieinsätze: "Dies ist keine Demonstration. Sie griffen die Tankstellen an und setzten 21 in Brand", sagte der Minister.

Auch auf anderer Ebene geht die Regierung gegen die Unruhen vor. Nachdem am Freitag bereits die Büros zweier Fernsehstationen geschlossen wurden, darf nun auch die größte Zeitung des Landes, "Al-Intibaha", bis auf Weiteres nicht mehr erscheinen. Die Regierung habe dies angeordnet, ohne Gründe zu nennen, sagte am Sonntag Geschäftsführer Al-Tajeb Mustafa, ein Onkel des Präsidenten. Das Blatt hatte sich kritisch über die Streichung der Subventionen geäußert.

Die Proteste sind die heftigsten Ausschreitungen seit dem Amtsantritt Baschirs nach einem Militärputsch im Jahr 1989. Zwar gab es bereits im letzten Jahr Demonstrationen, die vom "Arabischen Frühling" der nordafrikanischen Länder inspiriert war - doch bilden nun vor allem einfache Arbeiter und Angestellte die Speerspitze der Demonstrationen. Zuvor waren es vor allem junge Akademiker und gut vernetze Sudanesen.

Politiker stellen sich in offenem Brief gegen Baschir

Auch auf der Regierungsebene erhält der Despot Baschir Gegenwind. Mehrere Mitglieder von Baschirs Koalitionspartner Demokratische Unionspartei (DUP) übten Kritik am harten Kurs des Präsidenten. Die wirtschaftlichen Maßnahmen und die Niederschlagung des Protests stünden im Widerspruch zu "Mitgefühl und Gerechtigkeit" und verstießen gegen das Recht auf freie Meinungsäußerung, hieß in einem von 31 prominenten Vertretern des Reformflügels unterzeichneten Brief an Baschir.

Für den eigenen "Arabischen Frühling" könnte es dennoch nicht reichen. Auch wenn der Sudan ein deutliches wirtschaftliches Gefälle aufzeigt, fehlt es an ethnischen oder religiösen Spannungen, die - wie in Syrien oder Ägypten - als Katalysator für Massenproteste dienen könnten. Baschir, seit 24 Jahren an der Macht, hat bereits mehrere Revolutionsversuche im Keim erstickt. Auch verarbeitet der Sudan noch immer die Abspaltung vom erdölreichen Süden. Der hatte sich als Republik Südsudan im Juli 2011 von Khartum losgesagt - und trägt nun viele der Rohstoffe, die der Norden so schmerzlich vermisst.
Baschir werden Völkermord, Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit in der westsudanesischen Unruheregion Darfur vorgeworfen. Der Internationale Strafgerichtshof in Den Haag sucht ihn deswegen mit internationalem Haftbefehl. Im Darfur-Konflikt wurden nach Erhebungen der Vereinten Nationen mindestens 300.000 Menschen getötet.

(mit AFP)

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