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Proteste in Ägypten: Merkels vorsichtige Forderungen

In Israel musste sich die Bundeskanzlerin Angela Merkel zu Ägypten und Mubarak positionieren. Wie hat sie sich verhalten?

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Die Reise nach Jerusalem ist lange geplant; dass die deutsch-israelischen Regierungskonsultationen in eine derartige Umbruchphase im Nahen Osten fallen würde, hat vorher niemand ahnen können. Doch Angela Merkel ist nun einmal da, und so muss sie sich zu den Entwicklungen im Nachbarland Ägypten verhalten. Das ist ein heikles Unterfangen angesichts der Ungewissheiten: „Es ist wie nach einem Vulkanausbruch, wenn die Lava noch flüssig ist“, sagt ein Mitglied der deutschen Delegation. Die Chance ist also hoch, sich die Finger zu verbrennen.

Entsprechend vorsichtig formuliert Merkel. Gleich mehrfach betont sie während ihres Israel-Besuches, dass sie mit dem ägyptischen Präsidenten Hosni Mubarak am Vortag telefoniert hat. Zwei Aufforderungen habe sie an Mubarak gerichtet: Zum einen, „die versprochenen Reformen auch umzusetzen“, zum anderen, einen Dialog mit denen zu führen, „die friedlich protestieren und keine bestimmten Tendenzen verfolgen“.

Beides ist im Sinne der Gastgeber. Die Forderung an Mubarak, Reformen umzusetzen, bedeutet nämlich indirekt, dass Merkel ein politisches Überleben des Staatschefs nicht ausschließt, den Israel seit Jahrzehnten als verlässlichen Partner schätzen gelernt hat. Dass dieses Szenario am Abend schon überholt sein wird, können weder Merkel noch ihre Gesprächspartner in Israel zu diesem Zeitpunkt bereits absehen. Doch auch der Hinweis auf Leute, die „bestimmte Tendenzen verfolgen“, wird in Israel gern gehört. Parteiübergreifend wird dort die Sorge ausgedrückt, dass am Nil Islamisten die Macht übernehmen könnten. Regierungschef Benjamin Netanjahu warnt davor ebenso öffentlich wie die Oppositionsführerin Zipi Livni, die Merkel ebenfalls traf.

Die Sorge kann auch die Bundesregierung dem Land nicht nehmen, dessen Existenz zu sichern Merkel stets als Teil der deutschen Staatsräson beschrieben hat. Ohnehin sind die Möglichkeiten der Deutschen, selbst der Europäer im Nahen Osten begrenzt. „Deutschland steht ein für die Sicherheit Israels. Wir werden sie dabei nach Kräften unterstützen“, sagt Merkel nach einem Treffen mit Präsident Schimon Peres. Aber die Kräfte sind doch arg begrenzt, und in Israel weiß man das natürlich. Nur die USA als letzte militärische Supermacht haben die Mittel, um den Fortbestand Israels im Ernstfall zu garantieren; nur die Führung in Washington ist in der Lage, ernsthaften Druck auf arabische Staaten auszuüben. Viel mehr als ein guter Rat unter Freunden ist es deshalb nicht, wenn Merkel die Israelis dazu auffordert, trotz und gerade wegen des Aufruhrs in der ganzen arabischen Welt die Friedensverhandlungen mit den Palästinensern so rasch wie möglich wieder aufzunehmen, einen Stopp des jüdischen Siedlungsbaus in den besetzten Gebieten inklusive. „Die Ereignisse in der Region können keine Entschuldigung dafür sein, dass man den Friedensprozess einfach stoppt oder innehält“, sagt die Kanzlerin nach dem Gespräch mit Peres. „Ich glaube, dass die Ruhe, die in Israel herrscht, eine trügerische Ruhe ist und nicht tragfähig ist.“

In solchen Sätzen wird die Sorge erkennbar, dass Israel sich einigelt, hinter scheinbar sicheren Positionen verschanzt und so die Veränderungen verpasst, die sich in der bisher von Autokraten regierten arabischen Welt vollziehen. Merkel hat ihre eigene Lebenserfahrung mit derlei revolutionären Situationen nicht in den Vordergrund gestellt. Aber dass vieles von dem, was erst in Tunesien und jetzt in Ägypten passiert, bis ins Detail an den Zusammenbruch der DDR und des Ostblocks erinnert, ist ja auch so kaum übersehbar.

Nur in einem Punkt kann Merkel den Israelis konkrete Unterstützung anbieten. „Wenn sich der Iran Verhandlungen über sein Nuklearprogramm weiter verschließt, sind wir entschlossen, den Weg von Sanktionen weiterzugehen“, versichert die Kanzlerin in einer Rede in Tel Aviv. Dass die Iraner es sich zunutze machen könnten, wenn alle Aufmerksamkeit auf Ägypten gerichtet ist, ja dass sie die Proteste dort befeuerten, diese Sorge hat Merkel von israelischen Gesprächspartnern zu hören bekommen.

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