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Proteste in Athen: "In Griechenland gibt es einen Hang zum Chaos"

Politikwissenschaftlerin Tanja Börzel spricht im Interview über die Ausschreitungen in Griechenland.

Frau Börzel, überrascht Sie der Gewaltausbruch in Griechenland?
Dass es Tote bei Protesten gegeben hat, ist natürlich tragisch. Aber man kann nicht prinzipiell sagen, dass die Griechen radikaler geworden sind. Massive Proteste hat es in der griechischen Geschichte oft gegeben. Es gibt einen Hang zum Chaos.

Aber so massiv waren die Proteste zuletzt nicht?
Die Griechen sehen jetzt, dass ihre Lage sehr verzweifelt ist. Und sie fragen sich, wer die Verantwortung trägt. Da kochen die Emotionen über. Aber dass es bei so einem massiven Sparprogramm zu Protesten kommt, ist klar.

Jetzt meldet sich die Straße zu Wort. Inwiefern verändert das die Lage?
Es geht um die Glaubwürdigkeit Griechenlands. Die Regierung hat gar keine andere Wahl, als die Sparvorgaben umzusetzen. Durch die Proteste könnte es theoretisch sein, dass sie in ihrer Reformfähigkeit beeinträchtigt wird.

Droht ein Umsturz?
Das glaube ich nicht. Denn was würde nach einer sozialistischen Regierung kommen? Eine konservative und die müsste dieselben Sparvorgaben erfüllen. Natürlich muss man abwarten, wie organisiert der Widerstand ist, und ob es Rädelsführer gibt. Sollte der Staat ins Chaos stürzen, und das wissen die meisten Griechen, ist keinem geholfen. Dann wird das Land gar kein Geld bekommen – weder vom Finanzmarkt noch von der EU.

Tanja Börzel ist Politikwissenschaftlerin an der Freien Universität Berlin.

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