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Der ukrainische Aktivist Dmitro Bulatow wurde von seinen Entführern offenbar gefoltert.

© Reuters

Proteste in der Ukraine: Gefoltert und gekreuzigt

Vor einer Woche haben Unbekannte einen Organisator der Proteste in der Ukraine entführt. Nun ist er wieder aufgetaucht - und berichtet von Folter.

Acht Tage lang war Dmitro Bulatow spurlos verschwunden. Am Donnerstagabend ist der bekannte Aktivist der ukrainischen Protestbewegung wieder aufgetaucht. Er sei von Unbekannten entführt und gefoltert worden, berichtete er. Sein Gesicht war von Schnittwunden gezeichnet, sein rechtes Ohr teilweise abgeschnitten. Seine Peiniger hätten ihm die Hände mit Nägeln durchbohrt und ihn gekreuzigt, berichtete er. „Es gibt keine einzige heile Stelle an meinem Körper. Aber Gott sei Dank bin ich am Leben“, sagte Bulatow einer unabhängigen Fernsehstation. Seine Augen seien fast die ganze Zeit verbunden gewesen. Die Entführer brachten ihn am Donnerstagabend in einen Wald und warfen ihn dort bei zweistelligen Minustemperaturen aus dem Auto. Bulatow schaffte es aber, ein Dorf in der Nähe zu erreichen.

UN verlangen Untersuchung der Foltervorwürfe

Die Vereinten Nationen verlangten eine unabhängige Untersuchung der Berichte über Entführungen und Folter in der Ukraine. Die EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton forderte ein Ende von „Einschüchterung und Straflosigkeit“.

Bulatow ist einer der Organisatoren des „Automaidan“, einer Protestform, der sich mehrere tausend Menschen anschlossen. Zusammen mit Mitstreitern organisierte Bulatow Protestkolonnen bis vor die luxuriöse Residenz von Staatspräsident Viktor Janukowitsch. Die neue Protestform erwies sich als sehr erfolgreich – und war deshalb dem Staatsoberhaupt ein Dorn im Auge. Außerdem machten sich Bulatow und die anderen Aktivisten in ihren Autos gezielt auf die Suche nach von der Regierung bezahlten Schlägern, um die Demonstranten vor ihnen zu schützen.

Dmitro Bulatow erhielt Morddrohungen per SMS

Nach Angaben der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch hatte Bulatow bereits mehrere Wochen vor seiner Entführung Drohungen per SMS erhalten. „Willst du sterben?“, lautete eine von ihnen. Wegen seiner Aktivitäten in der Protestbewegung war Bulatow von der Polizei verhört worden.

Die Entführung Bulatows ist kein Einzelfall: Der Maidan-Aktivist Juri Werbitzki aus dem westukrainischen Lwiw (Lemberg) war aus einem Krankenhaus entführt worden. Er wurde später tot in einem Wald in der Nähe des Flughafens gefunden. Der mit ihm zusammen entführte oppositionelle Journalist Igor Luzenko sagte später, beide seien in einen Wald gefahren und dort befragt und geschlagen worden. Später ließen die Entführer auch Luzenko im Wald zurück, doch er konnte sich retten.

Mehr als 30 Demonstranten werden vermisst

„Es geht darum, alle Aktivisten einzuschüchtern“, sagte Oppositionsführer Vitali Klitschko nach einem Besuch bei Bulatow. Mehr als 30 Demokratieaktivisten werden noch immer vermisst. Die ukrainischen Behörden haben bisher keine Anstalten gemacht, die Fälle aufzuklären. Bulatow sagte, seine Entführer hätten mit russischem Akzent gesprochen. Sie hätten wissen wollen, wer die Aktivitäten von „Automaidan“ finanziere.

Vitali Klitschko reist nach München

Wie auf der Münchner Sicherheitskonferenz verlautete, verlangte Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier von der Regierung in Kiew, Bulatow nicht an der Ausreise nach Deutschland zu hindern, falls der das wolle. Steinmeier sprach in München mit ukrainischen Politikern. Klitschko reiste trotz der angespannten Lage am Freitag zur Münchner Sicherheitskonferenz, wo er an diesem Samstag sprechen will – mit einem „unguten Gefühl“, wie er sagte. Er fürchte die Ausrufung des Ausnahmezustandes, sagte der Ex-Boxweltmeister. Auch der Oppositionspolitiker Arseni Jazenjuk kam nach München. Beide Politiker erhoffen sich mehr internationale Unterstützung.

Janukowitsch unterzeichnete am Freitag das Amnestiegesetz, das jedoch die Räumung sämtlicher besetzter Gebäude zur Voraussetzung eines Straferlasses für Demonstranten macht. Zugleich widerrief der Staatschef mit seiner Unterschrift auch die Mitte Januar im Parlament eilig beschlossenen Gesetze zur Einschränkung der Versammlungs- und Meinungsfreiheit.

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