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An Iranian protester throws a stone at riot police during fierce clashes in central Tehran

© Reuters

Proteste in Iran: Mussawis Neffe angeblich gezielt getötet

Im Iran sind am Montag nach Angaben der Opposition mehrere Vertraute des reformorientierten Ex-Präsidenten Mohammed Chatami und des Oppositionsführers Mir-Hussein Mussawi festgenommen worden. Der Neffe Mussawi soll einem politischen Mord zum Opfer gefallen sein.

Glaubt man den Angaben von Regimegegnern, wurde Ali Mussawi regelrecht hingerichtet. Die New York Times berichtet unter Berufung auf den in Paris lebenden Mohsen Makhmalbaf, einem Vertrauten der Mussawis, wie die Mörder vorgegangen sein sollen. Neffe Ali sei vor seinem Haus von einem Sportwagen überfahren worden. Daraufhin seien fünf Männer ausgestiegen, einer von ihnen habe Mussawi erschossen. Der Mord sei als eine Drohung gegen Oppositionsführer Mussawi zu verstehen, schreibt Makhmalbaf auf seiner Website. Regierungsvertreter hätten den Leichnam des Neffen mitgenommen und die Familie davor gewarnt, ein Begräbnis zu organisieren. Die Opposition nutzt Trauerfeiern oft als Vorwand für weitere Proteste, so dass Beobachter daran zweifelten, dass eine ohnehin genehmigungspflichtige Beerdigung Mussawis stattfinden werde.

Die Oppositions-Website Norooz berichtete, dass die Polizei am Montag Tränengas gegen Demonstranten eingesetzt habe, die sich vor einem Krankenhaus im Westen Teherans versammelt hätten. Dort befinde sich die Leiche von Ali Mussawi. Zudem wurde der regimekritischen Website Jaras zufolge der Führer der oppositionellen Freiheitsbewegung Ebrahim Jasdi festgenommen. Er war in der Anfangsphase der islamischen Revolution von 1979 Außenminister und führte später jahrzehntelang die illegale, aber tolerierte säkulare Freiheitsbewegung (FMI) an. 

Die Opposition warf der Regierung weiterhin vor, während der jüngsten Protesten am Wochenende die Tötung von Demonstranten angeordnet zu haben. "Was ist mit diesem religiösen System passiert, dass es die Tötung von Unschuldigen am Heiligen Tag von Ashura befiehlt?" fragte der gemäßigte Kleriker Mehdi Karubi auf der Website Jaras.

Die Ausschreitungen waren die heftigsten seit der Wiederwahl von Präsident Mahmud Ahmadineschad: Das staatliche Fernsehen bestätigte, dass es erstmals seit den Protesten im Juni auch wieder Tote während Zusammenstößen zwischen Demonstranten und Sicherheitskräften gegeben hat. Demnach kamen am Wochenende acht Menschen ums Leben. In anderen unbestätigten Berichten war sogar von 15 Toten die Rede. Die iranische Führung hat ausländischen Journalisten die Berichterstattung untersagt.

Die Gewalt kochte am Wochenende auf beiden Seiten hoch. Auch Teile der Demonstranten gingen brutal gegen die Staatsmacht vor. Die New York Times berichtet, Protestierer hätten die Polizei teilweise zurückgedrängt. Sie warfen Steine und setzten mehrere Polizeiwagen und -motorräder in Brand. Auf einem Video, das im Internet kursiert, ist zu sehen, wie eine Gruppe von Demonstranten eine Polizeidienststelle in Brand setzt. Auf einem anderen sieht man, wie eine Gruppe die Leiche eines Demonstranten birgt und dabei skandiert: "Ich töte, ich töte den, der meinen Bruder getötet hat." Angabe der Polizei zufolge nahmen die Sicherheitskräfte mehr als 300 Demonstranten fest. Darunter seien auch Mitglieder der militanten Oppositionsgruppe Volksmudschaheddin.

Aus den USA kam scharfe Kritik an der Polizeigewalt während der Proteste. Washington verurteile "die gewaltsame und ungerechte Unterdrückung von Zivilisten in Iran, die ihre Grundrechte ausüben", sagte der Sprecher des Nationalen Sicherheitsrates, Mike Hammer. Regieren mittels Angst und Gewalt sei niemals gerecht. "Es ist vielsagend, wenn Regierungen die Hoffnungen ihrer Bürger mehr fürchten als die Macht einer anderen Nation."

Auch die Bundesregierung reagierte empört. Bundeskanzlerin Angela Merkel nannte das Vorgehen der Polizei "inakzeptabel" forderte die iranische Regierung dazu, das Recht auf freie Meinungsäußerung durch friedliche Demonstrationen nicht einzuschränken oder durch Gewalt zu unterdrücken. "Die Verantwortlichen sind aufgerufen, eine weitere Eskalation zu vermeiden und den politischen Dialog zur friedlichen Lösung der innenpolitischen Streitthemen zu suchen", hieß es in einer Erklärung. Außenminister Guido Westerwelle mahnte, der Iran müsse seine Verpflichtungen zum Schutz der zivilen und politischen Rechte seiner Bürger einhalten. "Die Völkergemeinschaft wird hinsehen und nicht wegschauen", sagte er.

Die iranische Opposition hatte das schiitische Ashura-Fest genutzt, um dem verstorbenen Großajatollah Hossein Ali Montaseri zu gedenken und erneut gegen die konservative Regierung von Präsident Ahmadineschad zu demonstrieren. Augenzeugen zufolge beteiligten sich Tausende von Iranern an den Demonstrationen, unterstützt vom Hupen Zehntausender Autofahrer. Die Opposition wirft Ahmadineschad Wahlbetrug vor. Nach der Wahl im Juni hatte es tagelange Proteste gegen den Ausgang der Abstimmung gegeben. Hunderte Regimekritiker wurden seinerzeit festgenommen. Die junge Iranerin Neda starb damals während der Proteste durch eine Kugel und wurde über Nacht zum Symbol des Protestes.

Quelle: ZEIT ONLINE, dpa, Reuters

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