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Dalai Lama

© dpa

Proteste in Tibet: Dalai Lama ruft Tibeter zum Gewaltverzicht auf

Der Dalai Lama appelliert an seine Landsleute, den Konflikt mit China gewaltfrei auszutragen. Andernfalls schließt das geistliche Oberhaupt der Tibeter auch einen Rücktritt nicht aus. Gleichzeitig bietet er Peking Gespräche an. Die Chinesen beeindruckt das wenig: Sie werfen dem Dalai Lama vor, die Proteste in Tibet erst geschürt zu haben.

"Gewalt ist gegen die menschliche Natur. Wir sollten keine antichinesischen Gefühle entwickeln. Wir müssen Seite an Seite zusammenleben", sagte der 72-jährige Friedensnobelpreisträger und religiöse Führer der Tibeter am Dienstag im indischen Dharamsala, dem Sitz der tibetischen Exilregierung.

Chinas Ministerpräsident Wen Jiabao hatte den Dalai Lama für die blutigen Unruhen verantwortlich gemacht. Der Dalai Lama reagierte promt auf die verbale Attacke:  "Wenn die Dinge außer Kontrolle geraten, ist ein Rücktritt die einzige Option." Sollten seine Landsleute dem Weg der Gewaltfreiheit nicht mehr folgen, behalte er sich vor, sich als politisches Oberhaupt zurückzuziehen. Chinesische Regierungsvertreter lud er ein, sich am Sitz des tibetischen Exilregierung davon zu überzeugen, dass es keinerlei Verbindungen zwischen ihm und dem jüngsten Ausbruch der Gewalt gibt.

Wen Jiabao: "Dalai-Lama-Clique hat die Zwischenfälle vorsätzlich geplant"

Das exiltibetische Zentrum für Menschenrechte und Demokratie berichtete, in Aba in Sichuan seien mindestens 20 Tibeter getötet worden, als chinesische Sicherheitskräfte am Sonntag das Feuer auf Demonstrationen eröffneten. Bisher hatte das Zentrum von mindestens 80 Tote bei den Unruhen in der tibetischen Hauptstadt Lhasa berichtet. China spricht offiziell weiterhin von bislang 13 Toten in der tibetischen Hauptstadt Lhasa. Nach Angaben der exiltibetischen Regierung sollen außerdem 19 Demonstranten bei Protesten seit Montag im Kreis Machu in Gansu erschossen worden sein.

Chinas Premier Wen Jiabao verurteilte "den Aufruhr, die Prügeleien, Zerstörungen, Brandstiftungen und Plünderungen" und die "äußerst brutalen Methoden" der Demonstranten in Lhasa. China lägen "hinreichende Fakten und reichlich Beweise" vor, wonach die "Dalai-Lama-Clique" die Zwischenfälle in Lhasa "vorsätzlich geplant und organisiert" habe, sagte er vor Journalisten zum Abschluss der Jahrestagung des Volkskongresses in Peking. Er verteidigte das mit Sicherheitsbedenken begründete Verbot für ausländische Journalisten zur Berichterstattung nach Tibet zu reisen, sprach aber von Überlegungen, eine Reise für ausländische Medienvertreter zu organisieren.

Wen bezichtigt Dalai Lama der Lüge

Die Behauptung des Dalai Lama, so Wen Jiabao, nicht nach der Unabhängigkeit Tibets zu streben, sondern einen friedlichen Dialog zu suchen, sei "eine Lüge". China wirft dem Dalai Lama seit Jahren vor, unter dem Deckmantel der Religion die Abspaltung Tibets zu betreiben. Der im indischen Exil lebende buddhistische Mönch hingegen betont immer wieder, den Tibetern ginge es lediglich um eine größere Autonomie. Der Dalai Lama fährt einen Kompromisskurs. Der 72-Jährige fordert eine Autonomie innerhalb der chinesischen Staatsgrenzen. Dabei geht es hauptsächlich um eine Selbstverwaltung, die zu einer kulturellen Unabhängigkeit führt. Ziel ist es, dass Tibeter Sprache und Religion frei ausüben können. Der Dalai Lama will nur spiritueller Führer sein und nicht an der Regierung teilhaben.

China will unverändert die Tür zu einem Dialog mit dem Dalai Lama offenhalten, knüpft daran aber die Bedingungen, dass dieser nicht mehr die Unabhängigkeit Tibets propagiere und dass er erkläre, dass Tibet wie Taiwan "unveräußerliche Teile" Chinas seien. Allerdings müsse nicht nur betrachtet werden, was der Dalai Lama sage, sondern auch, was er tue, sagte Wen Jiabao. Er unterstellte dem geistigen Oberhaupt der Tibeter, auch hinter den Protesten vor China diplomatischen Vertretungen in aller Welt zu stehen.

Die antichinesischen Proteste weiteten sich am Dienstag auf die chinesische Hauptstadt Peking aus. Wie die Nachrichtenagentur Xinhua berichtete, versammelten sich tibetische Studenten der Minderheiten-Universität in Peking am Montagabend auf dem Campus zu einer "Mahnwache mit Kerzen". Zusammenstöße gab es nicht. Auch in anderen Ländern gab es neue Proteste. In Nepal traten elf Exil-Tibeter in einen unbefristeten Hungerstreik. In Brüssel gingen mehrere hundert Menschen, darunter viele Tibeter, auf die Straße. Sie forderten von der EU die Entsendung einer Untersuchungskommission nach Tibet, skandierten den Namen des Dalai Lama und trugen
tibetische Flaggen. (kj/dpa)

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