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Politik: Proteste und Mordaufrufe

In vielen muslimischen Ländern hält der Zorn über den Ritterschlag für Salman Rushdie an

Nun soll sich also auch Osama bin Laden mit einem Titel schmücken dürfen. Aus Wut über den geplanten Ritterschlag für den indisch-britischen Autor Salman Rushdie ernannte das bis dato unbekannte Pakistan Ulema Council, angeblich ein Rat von 3000 islamischen Geistlichen, den untergetauchten Al-Qaida-Chef zum Saifullah, zum Schwert des Islam. „Wenn der Westen einem Blasphemisten den Titel Sir verleihen kann, obwohl er die Gefühle der Muslime verletzt hat, dann muss ein Held, der für den Islam gegen die Russen, Amerikaner und Briten kämpfte, der erhabene Titel des Islam verliehen werden“, ließ der Rat wissen.

Nach den Mohammed-Karikaturen der dänischen Zeitung „Jyllands Posten“ im Frühjahr 2006 und der umstrittenen Regensburger Rede des Papstes vor fast genau einem Jahr zum Thema „Glaube und Vernunft“ sorgt nun die Ritterwürde für Rushdie bei vielen Muslimen für Empörung und Ärger über den Westen.

Vor allem in Pakistan, das 162 Millionen Menschen zählt und zwischen moderaten und radikal-islamischen Kräften zerrissen ist, schlagen die Wogen hoch. Der Streit nimmt Züge einer diplomatischen Krise an. Das pakistanische Parlament forderte Großbritannien am Freitag auf, sich zu entschuldigen und dem Autor das „Sir“ zu verweigern. Zuvor hatte Religionsminister Ijaz ul-Haq erklärt, die Ehrung könne muslimischen Selbstmordattentätern als Rechtfertigung dienen.

„Einen solchen Kriminellen zu ehren, ist eine Kränkung der gesamten muslimischen Welt“, sagte der radikal-islamische Oppositionsführer Maulana Fazal-ur- Rehman. Andere schrecken vor Mordaufrufen nicht zurück. „Wer immer Rushdie tötet, wird ein Held für die Muslime sein“, sagte der Parlamentarier Khawaja Sa’ad Rafiq.

Eine pakistanische Händler-Vereinigung setzte ein Kopfgeld von 165 000 Dollar auf den Autor aus. In Islamabad und anderen Städten zogen Hunderte radikaler Islamisten auf die Straße, forderten „Tod den Briten“ oder „Erschießt den Satan Rushdie“ und verbrannten Puppen mit Zügen des Autors.

Auch aus Ägypten, Malaysia und Indonesien kam Kritik. Im Iran erneuerte ein radikaler Prediger die Fatwa – Todesdrohung – gegen den 60-jährigen Schriftsteller, die der verstorbene Revolutionsführer Ayatollah Khomeini 1989 wegen dessen Buch „Satanische Verse“ verhängt hatte.

Nicht zuletzt scheinen die Proteste vielerorts auch politisch motiviert zu sein. Der Iran zum Beispiel befindet sich wegen des Streits um sein Atomprogramm ohnehin in Frontstellung zum Westen. Und in Pakistan dürfte die Ehrung für den „Mohammed-Beleidiger“ Rushdie radikalen Kräften ein gelegener Anlass sein, um so indirekt den pro-westlichen Kurs des politisch angeschlagenen Präsidenten Pervez Musharraf zu attackieren.

Bezeichnenderweise blieben in Indien, wo fast 150 Millionen Muslime leben, größere Proteste ebenso aus wie im islamischen Bangladesch (143 Millionen Einwohner). Lediglich im indischen Teil Kaschmirs, das mehrheitlich muslimisch ist, demonstrierten einige Menschen. Streikaufrufe wurden jedoch nur bedingt verfolgt.

Christine Möllhoff[Neu-Delhi]

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