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In Hama protestieren die Menschen gegen das Regime von Präsident Assad.

© Reuters

Update

Protesthochburg Hama: Blutsonntag in Syrien - mindestens 140 Tote

Kurz vor Beginn des Fastenmonats Ramadan startet der syrische Präsident Assad eine neue Offensive gegen die Aufständischen. Nach ersten Berichten brachte der Sonntag Syrien 140 Tote.

Einen Tag vor Beginn des Fastenmonats Ramadan hat die syrische Armee in der Stadt Hama ein Blutbad angerichtet. Nach Angaben von Menschenrechtlern starben am Sonntag bei einer Militäroffensive gegen die Stadt am Orontes über 100 Menschen, im ganzen Land gab es nach ersten Berichten mindestens 140 Todesopfer. Aus dem ostsyrischen Deir ez-Zor wurden ebenfalls heftige Straßenkämpfe gemeldet – offenbar zwischen loyalen und abtrünnigen Armeeeinheiten des Regimes. Greifkommandos von Militär und Staatssicherheit durchkämmten Vororte von Damaskus. Dutzende Menschen wurden bei Razzien abgeführt. Zahlreiche Staaten der Europäischen Union, darunter auch Deutschland, reagierten mit Empörung und scharfer Kritik. US-Präsident Barack Obama erklärte, die Gewalt und Brutalität gegen das Volk widere ihn an, und forderte, das syrische Regime müsse international isolieret werden.

Am Montag beginnt in der muslimischen Welt der Ramadan. Für den Fastenmonat hatten syrischen Aktivisten tägliche Proteste angekündigt. Jeden Abend nach dem Fastenbrechen versammeln sich die Menschen zu speziellen Nachtgebeten in den Moscheen, die bisher nur freitags Ausgangspunkte der Demonstrationen waren. Offenbar will das Assad-Regime kurz vor Beginn des Heiligen Monats die Bevölkerung noch einmal mit rücksichtsloser Gewalt einschüchtern, um eine solche Ausweitung der Aufstände zu verhindern.

Nach Augenzeugenberichten waren Panzer und Elitesoldaten am frühen Sonntagmorgen nach Hama eingedrungen, aus der sie sich Anfang Juli demonstrativ zurückgezogen hatten. Die Straßen sind übersäht mit Leichen und Verwundeten, Strom und Wasser für die 700.000 Bewohner unterbrochen. Die Einheiten unter dem Kommando des Präsidentenbruders Bashar al-Assad gehen mit unbeschreiblicher Härte vor, wie Amateurvideos belegen. Häuser wurden mit Panzerraketen beschossen, Menschen wahllos unter Feuer genommen, über der Stadt standen dunkle Rauchwolken. Die Bewohner versuchten, sich mit Molotow-Cocktails und Steinen zu wehren. Die Krankenhäuser sind überwältigt von der Zahl der Verletzten, die Ärzte riefen zu Blutspenden auf. In Hama wie auch in Deir ez-Zor hatte es vor zwei Wochen die bisher größten Demonstrationen gegen das Regime von Präsident Bashar al-Assad gegeben, an der insgesamt 1,2 Millionen Menschen teilnahmen.

Eine Reporter der „New York Times“, der sich letzte Woche von Beirut aus über die grüne Grenze nach Hama durchschlagen konnte, berichtete, die Bewohner betrachteten ihre Stadt als vom Assad-Regime befreit und hätten begonnen, sich selbst zu verwalten. Die Menschen hätten Barrikaden in den Wohnvierteln errichtet, die die Panzer am Sonntag jedoch mühelos nieder rollten. Assads Vater Hafez hatte bereits 1982 in Hama einen Aufstand mit beispielloser Brutalität niederschlagen lassen. Damals kamen mindestens 20.000 Menschen ums Leben.

Die internationale Gemeinschaft reagierte mit scharfer Kritik. „Was wir derzeit in Syrien erleben, empört mich zutiefst“, sagte Außenminister Guido Westerwelle und drohte Damaskus weitere EU-Sanktionen an. Der britische Außenminister William Hague nannte die jüngsten Angriffe auf Zivilisten schockierend. Sein französischer Kollege Alain Juppe forderte den UN-Sicherheitsrat auf, sich seiner Verantwortung in punkto Syrien zu stellen. Eine Resolution der Weltgemeinschaft scheiterte bisher am Widerstand der Vetomächte Russland und China. Auch die türkische Regierung rief das Regime auf, die Angriffe auf das eigene Volk sofort zu beenden. Ein amerikanischer Diplomat in Damaskus sprach gegenüber der BBC von einem „vollen Krieg gegen die eigene Bevölkerung“ und nannte das Vorgehen des Regimes „absolut ausweglos“. Es gebe nur eine große bewaffnete Bande in Syrien – und das sei die syrische Regierung. Nach Angaben von Menschenrechtsorganisationen sind bei den viermonatigen Unruhen bisher mehr als 1700 Menschen ums Leben gekommen, über 26.000 wurden verhaftet und oft schwer gefoltert, von denen nach wie vor rund 12.000 hinter Gitter sitzen.

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