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Politik: Protokollfragen

Türkei will Zypern nicht anerkennen – und dennoch über EU-Beitritt reden

Mit einem diplomatischen Drahtseilakt will die Türkei den pünktlichen Beginn der Beitrittsgespräche mit der EU am 3.Oktober ohne vorherige Anerkennung der Republik Zypern ermöglichen. In Ankara bereiteten türkische Diplomaten am Freitag die Unterzeichnung des von der EU geforderten Zusatzprotokolls zur Zollunion vor, mit dem die Türkei die griechische Republik Zypern indirekt anerkennen soll. Gleichzeitig berieten türkische Regierungsvertreter über eine Erklärung, in der die Türkei unmittelbar nach der Unterzeichnung bekräftigen will, dass eine formelle Anerkennung Zyperns derzeit nicht in Frage kommt. Mit diesem Vorhaben könnte sich die Türkei den Weg zu Beitrittsverhandlungen in letzter Minute noch verbauen, denn das EU-Mitglied Zypern droht mit seinem Veto.

Türkische Fernsehsender berichteten am Freitagnachmittag, die ursprünglich für den Lauf des Tages vorgesehene Unterzeichung des Zusatzprotokolls sei wegen der schwierigen Abwägungsfragen auf die kommende Woche verschoben werden. Die EU hatte bei ihrem Gipfel im vergangenen Dezember den Beginn von Beitrittsverhandlungen mit der Türkei von der Zustimmung Ankaras zu dem Zusatzprotokoll abhängig gemacht; mit dem Protokoll wird die Zollunion zwischen der EU und der Türkei auf die zehn neuen EU-Mitglieder – darunter auch Zypern – ausgedehnt.

Die Türkei erkennt die griechische Inselrepublik nicht als alleinige Vertreterin aller Zyprer an, weil nach ihrer Auffassung im türkischen Inselsektor ein zweiter zyprischer Staat besteht. Der derzeitige EU-Ratspräsident, der britische Premierminister Tony Blair, stimmte vor wenigen Tagen der türkischen Haltung zu, dass die Unterschrift unter das Zusatzprotokoll nicht auf die Anerkennung der Republik Zypern hinausläuft. Diese Position will die Regierung von Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan in ihrer Erklärung bekräftigen. Zudem will Ankara klarstellen, dass griechisch-zyprische Schiffe auch weiterhin keine türkische Häfen anlaufen dürfen.

Sehr viel hänge nun von der genauen Formulierung der türkischen Zusatzerklärung ab, heißt es bei Diplomaten in Ankara. Gerät die Erklärung zu schroff, könnte dies vom griechisch-zyprischen Präsidenten Tassos Papadopoulos zum Anlass genommen werden, den Beginn der Beitrittsverhandlungen im Oktober zu blockieren. Papadopoulos verlangt, die Türkei solle das Zusatzprotokoll ohne Wenn und Aber unterzeichnen.

Auf viel Unterstützung anderer EU- Staaten kann die Türkei beim Thema Zypern nicht rechnen. Immerhin versuchten in den vergangenen Tagen britische Diplomaten, die türkische Seite zu einem möglichst gemäßigten Tonfall in der geplanten Erklärung zu bewegen. Erdogan kündigte nach einem Treffen mit Blair am Mittwoch einen „konstruktiven“ Text an, will den genauen Wortlaut aber noch geheim halten. Auch Blair bekam die vorbereitete Erklärung nicht zu sehen.

In einem Brief an Blair und vier andere EU-Regierungschefs, darunter auch Bundeskanzler Gerhard Schröder, warnte Erdogan vor Versuchen der griechischen Zyprer, den Streit über die Anerkennungsfrage zum Vorwand zu nehmen, um die türkischen Beitrittsverhandlungen aus der Bahn zu werfen. In dem Schreiben betonte Erdogan, auch beim EU-Gipfel vom vergangenen Dezember hätten führende europäische Politiker festgestellt, dass die geforderte Unterzeichnung des Zusatzprotokolls keine völkerrechtliche Anerkennung Zyperns durch die Türkei bedeute.

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