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Politik: Prozess gegen Milosevic droht zu platzen

Verfahren wegen Krankheit des Angeklagten vertagt / Erste Zeugenvernehmung frühestens im Herbst

Das UN-Kriegsverbrechertribunal in Den Haag hat am Montag den Prozess gegen den früheren jugoslawischen Präsidenten Slobodan Milosevic auf unbestimmte Zeit vertagt und seine Fortsetzung in Frage gestellt. Milosevic konnte seine Eröffnungsrede zum Beginn seiner Verteidigung aus gesundheitlichen Gründen nicht halten. Er steht dort unter anderem wegen Völkermord und Verbrechen gegen die Menschlichkeit vor Gericht.

Der 62-Jährige hatte zu Beginn der Verhandlung wütend dagegen protestiert, dass er überhaupt aus dem Untersuchungsgefängnis ins Gericht gebracht worden war. Ein Arzt habe noch am Morgen erklärt, dass er wegen zu hohen Blutdrucks nicht an einer Verhandlung teilnehmen könne. Die Richter kannten diesen Bericht jedoch nicht. Richter Patrick Robinson kündigte an, das Gericht werde spätestens Dienstag eine Bilanz des bisherigen Verhandlungsverlaufs ziehen und daraus „radikale Schlussfolgerungen ziehen“. Wegen der angeschlagenen Gesundheit des Angeklagten hatte das Gericht den Prozess seit Februar 2002 bereits mehr als ein Dutzend Mal ausgesetzt.

Aufgrund der ärztlichen Gutachten, die Milosevic eine rapide Verschlechterung seines Gesundheitszustandes attestieren, forderte Anwalt Stephen Kay die Richter auf, darüber nachzudenken, „ob dieser Angeklagte überhaupt prozessfähig ist“. Kay ist einer der unabhängigen Experten, die darauf achten sollen, dass der Prozess trotz des Verzichts Milosevics auf eigene Verteidiger fair verläuft.

Chefankläger Geoffrey Nice forderte erneut einen Pflichtverteidiger für Milosevic. Der hohe Blutdruck des Angeklagten sei eine Folge des Stresses, der sich aus dem Verzicht auf ein Verteidigerteam ergäbe. Nice schlug ferner vor, den Angeklagten nicht mehr in jedem Fall vor Gericht erscheinen zu lassen, sondern über eine Videoübertragung im Gefängnis am Prozess teilnehmen zu lassen. Milosevic lehnte das ebenso kategorisch ab wie Nices Forderung, er solle seine Eröffnungsrede nicht im Gericht halten, sondern vorlesen lassen. Als sicher gilt, dass Milosevic mehr Zeit zur Vorbereitung erhält. So können die ersten Zeugen der Verteidigung erst nach der Sommerpause aufgerufen werden.

Klaus Bachmann[Den Haag]

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