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Am 03. August soll er mit Söhnen und wichtigen Mitarbeitern von einst zum ersten Mal auf der Anklagebank in einem Käfig Platz nehmen.

© dpa

Prozess gegen Mubarak: Ein Käfig für den Diktator

An diesem Mittwoch beginnt der Prozess gegen Ägyptens gestürzten Staatschef Mubarak – doch es gibt Zweifel, ob es dazu kommt.

Seit Tagen schweißen Arbeiter an dem riesigen Metallkäfig. Am Mittwoch ist die ägyptische Hauptstadt Schauplatz einer historischen Premiere für den gesamten Nahen Osten – ein Jahrhundertprozess, den die Menschen am Nil live zu Hause oder in den Caféhäusern vor dem Fernseher verfolgen können. Und in Kairo überschlagen sich die Gerüchte.

Vor dem Tribunal erscheinen muss der am 11. Februar von seinem Volk gestürzte Ex-Präsident Hosni Mubarak. Vom Herrscherthron auf die Anklagebank – zum ersten Mal in der modernen Geschichte der arabischen Welt zieht damit ein Volk seinen ehemaligen Diktator in Eigenregie für schwere Verbrechen zur Verantwortung. Zum ersten Mal wird ein Potentat vor einem ordentlichen Gericht seines Landes mit den Opfern seiner Gewaltherrschaft konfrontiert.

Zwar wurde 2006 in Bagdad bereits Saddam Hussein verurteilt und gehenkt, sein Prozess aber galt bei der irakischen Bevölkerung primär als Werk der amerikanischen Besatzer. Mit im Anklagekäfig werden neben Mubarak auch seine beiden Söhne Gamal und Alaa sitzen sowie der frühere Innenminister Habib el Adly und sechs ehemalige Polizeigeneräle.

Das war einmal: Hosni Mubarak am 1. September 2010 während einer Unterredung mit US-Präsident Obama – kein halbes Jahr vor seinem Sturz.
Das war einmal: Hosni Mubarak am 1. September 2010 während einer Unterredung mit US-Präsident Obama – kein halbes Jahr vor seinem Sturz.

© dapd

Die Anklage lautet auf Mord und Beteiligung an Mord. Sie könnte für alle Beschuldigten zum Galgen führen. Generalstaatsanwalt Mahmoud Abdel-Meguid jedenfalls ist überzeugt, dass der Ex-Diktator den Schießbefehl seines Innenministers Adly zumindest gebilligt hat. Damit sei er mitverantwortlich, wie es in seiner Anklageschrift heißt, für „vorsätzlichen Mord an friedlichen Demonstranten“ und „versuchten Mord“ an vielen tausend Verletzten. Mubarak wird zur Last gelegt, er habe „Polizisten und Offiziere aufgehetzt, auf die Opfer zu schießen, andere gezielt zu überfahren, um sie zu töten, und wieder andere so zu terrorisieren, dass diese von ihren Forderungen ablassen“. 846 Menschen verloren in dem 18-tägigen Volksaufstand ihr Leben, über 6500 wurden verletzt – die meisten starben durch Kugeln von Scharfschützen in Kopf oder Brust.

„Ich werde auf Ägyptens Boden sterben und richten wird mich allein die Geschichte“, mit diesen Worten hatte Mubarak noch vor genau einem halben Jahr auf dem Höhepunkt der Unruhen eine nächtliche Fernsehansprache an sein Volk beendet. Seit April liegt der jahrzehntelang unangefochtene Herrscher auf der Prominenten-Station des Internationalen Krankenhauses in Scharm el Scheich. Und während sein Anwalt die Gesundheit des 83-Jährigen in dunkelsten Farben schildert – Herzinfarkt, Fälle ins Koma und Krebs im Endstadium – bescheinigten ägyptische Amtsärzte dem Ex-Präsidenten zwar eine tiefe Depression, ansonsten jedoch einen „relativ stabilen“ körperlichen Zustand. Am Mittwoch früh soll Mubarak vom Krankenbett nach Kairo geflogen werden, wo die übrigen Angeklagten sich die Zellen im Tora-Gefängnis teilen.

Verhandelt wird im 600 Zuschauer fassenden Auditorium der Mubarak-Polizeiakademie, mehr als eine Autostunde vom Stadtzentrum entfernt in der Wohnstadt „Neu-Kairo“. Den ursprünglichen Plan, eine Halle auf dem Expo-Gelände in Sichtweite des Mausoleums von Anwar as Sadat zu nutzen, gaben die Behörden am Samstag „aus Sicherheitsgründen“ auf, wie Justizminister Abdel Aziz al Gindi mitteilte. An diesem Ort waren vor dreißig Jahren Sadats Attentäter verurteilt worden. Am Wochenende aber paradierten Islamisten demonstrativ durch die Straßen der Sinai-Stadt El-Arish und schossen auf eine Statue Sadats, der in Camp David einen Friedensvertrag mit Israel geschlossen hatte.

Mubarak selbst zeigte sich zwei Tage vor Prozessbeginn keiner Schuld bewusst. Er habe niemals den Befehl gegeben, auf Demonstranten zu schießen, im Gegenteil, er habe angeordnet, friedlich vorzugehen. „Ich glaube es erst, wenn ich ihn mit eigenen Augen im Fernsehen sehe“, sagte ein junger Aktivist am Wochenende auf dem Tahrir-Platz. Wie er sind viele sicher, dass Mubaraks Anwälte noch ein Schlupfloch finden und Mubarak dem Angeklagtenkäfig entgeht.

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