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Protest mit Koran. Obwohl der Ort für den Prozess gegen den gestürzten Präsidenten kurzfristig verlegt worden war, fanden sich Demonstranten ein.

© REUTERS

Prozess gegen Mursi in Ägypten: Ein Gericht auf der Flucht

Der Prozess gegen den abgesetzten ägyptischen Präsidenten Mursi ist auf Januar verschoben worden. Trotz besonderer Sicherheitsvorkehrungen kam es zu Protesten vor dem Gericht.

In der Polizeiakademie in Neu-Kairo werden künftig zwei „Jahrhundertprozesse“ gegen zwei ehemalige ägyptische Präsidenten stattfinden. In zehn Tagen ist Hosni Mubarak wieder aufgeboten. Am 8. Januar dann erneut Mohammed Mursi, der am 3. Juli vom Militär entmachtete Nachfolger Mubaraks. Der Prozessauftakt gegen ihn am Montag verlief chaotisch. Nach vier Stunden verschob der Vorsitzende Richter Ahmed Sabri Yousef das Verfahren schließlich um zwei Monate. Er gab der Verteidigung mehr Zeit, sich mit der Anklage vertraut zu machen. Nach Angaben des staatlichen Fernsehens wurde Mursi nach der Verhandlung ins Gefängnis von Borg al Arab außerhalb von Alexandria überstellt.

Die Staatsanwaltschaft gibt Mursi und seinen 14 Mitangeklagten, darunter zwei führende Mitglieder der Partei der Muslimbrüder, die Schuld an den gewalttätigen Auseinandersetzungen vor dem Präsidentenpalast am 5. Dezember des letzten Jahres. Damals gab es mehrere Tote, als Gegner und Anhänger des Präsidenten aneinandergerieten. Anstiftung zum Mord lautet der Vorwurf gegen Mursi, ein Schuldspruch könnte die Todesstrafe nach sich ziehen. Die ineffiziente Regierungsführung oder der autoritäre Führungsstil, die ganz konkret zum Sturz des ersten frei gewählten ägyptischen Präsidenten geführt hatten, stehen in dem Prozess dagegen nicht zur Debatte. Die Übergangsführung versucht vielmehr, Mursis Absetzung und Inhaftierung juristisch zu rechtfertigen und im Nachhinein mit der Verfassung in Einklang zu bringen.

Mursi im Bild. Eine Zeitung veröffentlichte ein Foto aus dem Gefängnis.
Mursi im Bild. Eine Zeitung veröffentlichte ein Foto aus dem Gefängnis.

© Reuters

Mursis Anwalt Mohammed Tousson wies vor dem Gerichtssaal darauf hin, dass der vom Militär gestürzte Präsident – im Gegensatz zu Mubarak nach der Revolution 2011 – nie abgedankt habe. Das Strafgericht sei deshalb nicht zuständig. Im Saal erschien Mursi am Montag im grauen Anzug, denn er hatte sich geweigert, die weiße Sträflingskleidung anzuziehen. Lautstarke Rufe gegen die Militärführung aus dem Eisenkäfig der Gefangenen zwangen den Vorsitzenden Richter, die Sitzung kurz nach Beginn ein erstes Mal zu unterbrechen. „Ich bin der Präsident. Das ist ein Putsch“, hat Mursi den Richtern zugerufen und schließlich den Abbruch der Sitzung erzwungen.

Die Ereignisse aus dem Gericht drangen nur bruchstückweise an die Öffentlichkeit. Nur wenige Journalisten erhielten Zugang zum Prozessgebäude, die Justiz hatte zudem kurzfristig entschieden, den Prozess anders als das Verfahren gegen Mubarak nicht live im Fernsehen zu übertragen. Sie wollte vermeiden, dass Mursis Auftritt die Stimmung unter seinen Anhängern weiter anheizt. Erst Stunden nach dem Prozess veröffentlichte das Fernsehen einige tonlose Sequenzen.

Mursi war am Morgen mit dem Helikopter von seinem unbekannten Aufenthaltsort eingeflogen worden. Nur Stunden vor Prozessbeginn hatten die Behörden einen neuen Gerichtssaal bestimmt. Ein Manöver, um Demonstrationen der Unterstützer Mursis zu verhindern. Einige hundert fanden sich dennoch vor der Polizeiakademie ein. Auch vor anderen juristischen Einrichtungen im Land gab es größere Kundgebungen. Die Polizei setzte an verschiedenen Orten zum Teil Tränengas gegen die Demonstranten ein und verhaftete auch zahlreiche Mursi-Anhänger.

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