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Der Präsident des FC Bayern München, Uli Hoeneß (l) und seine Frau Susanne verlassen nach dem ersten Verhandlungstag am Montag den Justizpalast des Landgerichts München II in München (Bayern).

© dpa

Prozess gegen Uli Hoeneß: Großes Geld, großes Kind

„Ich war verrückt damals“, sagt Uli Hoeneß. Vor Gericht gibt er alles zu, leidet sichtlich. Nicht 3,5 Millionen Euro hat er hinterzogen, sondern 18,5. Es sieht nicht gut aus für ihn.

Es war nicht mal so sehr der Moment des Geständnisses, der Uli Hoeneß ins Schleudern brachte. Das Geständnis, dass er weit mehr als 3,5 Millionen Euro hinterzogen hat, und zwar die stattliche Summe von 18,5 Millionen. Das hatte er gleich zu Beginn seines Prozesses eher lapidar, denn aufgeregt, eher beiläufig, denn hauptsächlich in den Konferenzsaal Nr. 134 des Oberlandesgerichts München gegeben. Das war bei seiner Erklärung zur Anklage gewesen, in der von dieser Summe gar nicht die Rede war. Es ging auch kein Raunen durch den Saal, erst in der Verhandlungspause rieben sich die vielen Journalisten und die wenigen Zuhörer die Augen. Oha, 18,5 Millionen, jetzt dürfte es aber eng werden für Hoeneß, den Präsidenten des FC Bayern München und geständigen Steuersünder.

Ins Schleudern, ins Schwimmen, ins Kleinlaute geriet Hoeneß, als Richter Rupert Heindl, ein schneller und wacher Kopf, immer wieder nachfragte, wie Hoeneß denn so seine Geschäfte getätigt habe. Es war die Rede von Futures, also irgendwelchen schwer durchschaubaren Termingeschäften in der Zukunft, von irgendwelchen noch undurchschaubareren Securities Lending, die so undurchschaubar sind, dass sie auch Hoeneß nicht kennt. „Was ist das?“, wollte Heindl wissen.

„Ich habe keine Ahnung.“

„Immerhin haben Sie in den Jahren 2006, 2007 und 2008 jeweils hohe sechsstellige Summen daraus auf Ihrem Konto bezogen“, insistierte Heindl.

„Ich schaue nicht auf Kontoauszüge.“

Uli Hoeneß: Entschuldigend und kindlich

„Noch mal zurück zu den Futures“, Heindl ist wirklich ein hartnäckiger Richter. „Sie sagen, dass Sie nur an langfristigen Terminen interessiert waren, aber Futures sind kurzlebig.“

„Ich bin kein Future-Experte.“

Und dann, endlich, ein vermeintlich befreiender Satz, „wenn man so zockt und verrückt ist wie ich damals …“. Hoeneß wollte wohl sagen, dass dann der Verstand aussetzt. Aber befreiend und lösend war auch das nicht, eher entschuldigend, eher, ja, kindlich.

Uli Hoeneß, der grandiose Manager, der Macher des FC Bayern München und Macher des deutschen Fußballs, der Polarisierer und Moralisierer, steht vor Gericht, und, um es vorwegzunehmen, es sieht nach diesem ersten Verhandlungstag nicht gut aus für ihn. Wie er so dasaß und sich wand unter den punktgenauen und schmerzhaften Fragen, da wirkte er hilflos. Und das, was er damals in den Jahren des Zockens getan hat und vor allem wie, das wirkte wie das Kind, das beim Monopoly nicht einsehen will, dass es verloren hat und sich von den Mitspielern immer wieder Spielgeld leiht, obwohl es nur noch die Bad- und die Turmstraße besitzt, die zudem mit Hypotheken belastet sind.

Das große Kind, das am liebsten dem Ball hinterherjagt

Uli Hoeneß, das große Kind, das am liebsten dem Ball hinterherjagt, weil der der Gral ist. Und wenn der Ball es altersbedingt nicht mehr sein kann, dann eben dem Erfolg, mit Erfolg im Fußballgeschäft, ohne Hirn und Verstand an der Börse. Nur, dass jetzt niemand das Monopoly-Brett wegräumt und alles vergessen ist, sondern Hoeneß’ Versuch, ohne Buße „mit reinem Tisch zur Steuerehrlichkeit zurückzukehren“ möglicherweise zu spät kommt.

Noch beim Einlaufen, um in der Welt des Uli Hoeneß zu bleiben, hatte er Optimismus ausgestrahlt, Selbstbewusstsein sogar und Selbstgewissheit. Am Vortag hatte er einen Bekannten angerufen, hatte ihm gestanden, dass er nach Tagen und Wochen der Selbstzweifel nun am Vorabend zuversichtlich sei, dass sein Weg der Selbstreinigung der richtige sei. Der Fotografen-Pool hatte sich im Sitzungssaal aufgebaut, Hoeneß kennt sich aus im Surren der Apparate, im Gewitter der Flashlights. Er lächelte, plauderte mit seinen Anwälten, wenn man es unbedingt interpretieren will, wirkte sein Lächeln mitunter spöttisch.

Und auch, als Staatsanwalt Achim von Engel die Anklage verlas, runterratterte, Unmengen von Zahlen in den Raum nuschelte, die auch in der anschließend verteilten Anklageschrift nicht wesentlich verständlicher wurden, schien das Hoeneß kaum erschüttern zu können. Mehr als das, er schien gut gelaunt zu sein. Richter Heindl verlas die persönlichen Daten, hatte Biografisches gesammelt und 1976 erwähnt, „wir erinnern uns ja alle noch daran“. 1976 ist ein Datum, an das Hoeneß gemeinhin nicht gerne erinnert wird, weil es den Abend meint, an dem Uli Hoeneß den entscheidenden Elfmeter im Finale der Europameisterschaft hoch über die Latte in den Nachthimmel geballert hatte. Jetzt lächelte er, „ich auch, oh ja, Herr Richter, ich auch“.

Warum sich Hoeneß völlig enttarnt - als einer ohne jede Ahnung

Dann ließ er sich ein auf die Anklage: „Hohes Gericht, die mir in der Anklage zur Last gelegten Straftaten habe ich begangen. Mit anderen Worten: Ich habe Steuern hinterzogen.“ Es folgte ein umfassendes Geständnis, in dem neu allerdings nur die enorme Höhe der Steuerhinterziehung war. Auch die etwas kämpferisch vorgetragene Richtigstellung, dass er kein Sozialschmarotzer sei, sondern jahrzehntelang korrekt seine Steuern bezahlt, enorme Summen für soziale Zwecke gespendet habe, sind keine Neuigkeiten.

Richter Heindl beeindruckte das alles nicht.

Ist das Strategie, dass Hoeneß vorwärtsprescht und in der Selbstbezichtigung weit über die Anklage hinausgeht? Wenn ja, was für eine? Soll diese komplette Transparenz zeigen, wie sehr ihm an einem reinen Tisch gelegen ist? Möglicherweise sind die zusätzlichen 15 Millionen unversteuerter Spekulationsgewinne nur steuerrechtlich relevant, aber strafrechtlich verjährt. Dann wäre dieses Geständnis zwar teuer, aber nur in finanzieller Hinsicht, würde das Strafmaß nicht erhöhen, aber dankenswerte Bereitschaft zur Kooperation signalisieren. Aber wäre das nicht zu durchsichtig und bei der Schwere der Tat nicht allzu läppisch?

Und noch eine Frage. Ist auch das Strategie, dass Hanns B. Feigen, der Verteidiger, seinen eigenen Mandanten lautstark anraunzt, das stimme doch gar nicht, was er sage, „nun kommen Sie mal zum Punkt“. Da ging es um die Frage, ob eine Recherche des „Stern“ zur übereilten Selbstanzeige im Januar des Jahres geführt habe. Was Hoeneß zunächst verneinte, bis ihn Feigen zur Räson rief. Fußballerische Strategien sind leichter zu durchschauen.

Ob man Richter Heindl besondere Strenge nachsagen kann, sei dahingestellt. Seine Fragen an Hoeneß sind präzise, sie sind zielgerichtet, sie tun weh und können Glaubwürdigkeit erschüttern. So berichtet Hoeneß, dass er auch bei der deutschen Reuschel-Bank spekuliert hat, dass dort alles mit rechten Dingen zugegangen sei, dass er von dort regelmäßig seine Abrechnungen und Auszüge bekommen hat, dass er über die Bewegungen stets die Kontrolle gehabt habe. „Und dann sagen Sie uns“, sagt Heindl, „dass Sie bei der Vontobel Bank in der Schweiz alles haben laufen lassen, sich keine Kontoauszüge angeschaut haben? Das mag ja alles so sein, aber ich verstehe es nicht, ich verstehe es wirklich nicht.“ Ob Hoeneß es versteht?

„Und am Ende war einfach kein Geld mehr da.“

Und warum? Nicht nur unterm Strich hat Hoeneß bei seinen Spekulationen Geld verloren, viel Geld. Was erklärt, warum den Unmassen an Kontobewegungen aus den Jahren zwischen 2003 und 2009 nur noch wenige aus den Jahren danach gegenüberstanden. Insgesamt verzeichnet Hoeneß in diesen Jahren über 50 000 Transaktionen auf dem Schweizer Konto. „Und am Ende war einfach kein Geld mehr da.“

Gezahlt hat Hoeneß inzwischen eine Menge. Gegen eine Kaution von fünf Millionen Euro hat er den Haftbefehl aussetzen können, 10 Millionen Abschlagszahlung hat er an die Steuerbehörde Miesbach geleistet. Aber reichen, reichen tut das alles nach Lage des ersten Verhandlungstages noch nicht.

Und immer wieder: „Ich will die Sachen ordentlich hinter mich bringen, ich will zur Steuerehrlichkeit zurückkehren, ich will ohne Wenn und Aber einen reinen Tisch machen.“ Fast schon ist es ein Mantra, ein Mantra, um die Felle, die davonzuschwimmen drohen, noch halten zu können.

Mit zunehmender Verhandlungsdauer erweckt der Richter auch zunehmend den Eindruck, dass er Hoeneß nicht glaubt, dass er hohe kriminelle Energie und Vorsatz hinter dessen Handeln vermutet.

Es ist allerdings auch so, dass sich Hoeneß am Montag im Münchner Oberlandesgericht enttarnt hat. Als Ahnungsloser. Wann immer der Richter sich in die Details der Finanzwelt verliebte, mit Fachausdrücken um sich warf, schrumpfte Hoeneß auf seinem Stuhl zusammen, verschüchterter von Fachausdruck zu Fachausdruck, saß da wie der Schüler, der vorne an der Tafel steht und den Satz des Pythagoras erklären soll, aber nicht einmal weiß, wer dieser Pythagoras eigentlich ist.

Könnte es also sein, dass dieser Ulrich Hoeneß, der Mann, den man jahrelang und stets mit Pager in der Hand herumlaufen sah, auf dem er herumdrückte und herumdrückte, kaufte und verkaufte, rasend schnell und wieder von vorne wie wahnsinnig, könnte es also sein, dass dieser Uli Hoeneß von der Welt der Börse und ihren diabolischen Zusammenhängen einfach nichts versteht?

Unglaublich?

Wohnen in Uli Hoeneß ein Jekyll und ein Hyde?

„Ich war damals verrückt“, hatte er gesagt. Das passt durchaus ins Bild dieses Mannes, dieses Schwaben, der daheim die Monstranz der Seriosität vor sich hertrug. Der den FC Bayern auch zur wirtschaftlichen Fußball-Weltmacht gebracht hat. Mit lauteren, manchmal mutigen, wagemutigen, aber wohl nie illegalen Mitteln. Der hat auch seine Nürnberger Wurstfabrik zur Topadresse der Wurstproduzenten gebracht. Auch in diesem Geschäftszweig sind keine dubiosen Gebaren bekannt geworden. Wahrscheinlich, weil es keine gibt.

Kann es nicht sein, dass auch in Uli Hoeneß ein Jekyll und ein Hyde wohnen? Es ist auch an diesem Montag im Konferenzsaal Nr. 134 des Oberlandesgerichts von München nicht klar, wie viel Unrechtsbewusstsein Hoeneß besaß, als er Steuern in Millionenhöhe hinterzog. Er gibt das alles zu, bezichtigt sich, klagt an, leidet sichtlich. Und es gibt ja die Indizien, dass er vorsätzlich gehandelt hat; dass er auch vorsätzlich gehandelt hat, als er im Januar 2013 seine Selbstanzeige stellte und dabei jene 15 Millionen vergaß, die er nun nachmeldete. Und ist es nicht eher lächerlich als glaubwürdig, wenn er aussagt, nach der Anklage so geschockt gewesen zu sein, dass er erst einmal alle Bemühungen zur Klärung hat schleifen lassen?

Andererseits, welchen Vorteil hat er sich verschafft, als er nach der Klage wie das Kaninchen vor der Schlange erstarrte? Das spricht doch wohl eher für einen, der tatsächlich geschockt ist, auch über sich selbst, und der sehr plötzlich in eine Realität zurückbefördert wird, die ihm auf krasseste Weise abhanden gekommen war.

Monopoly ist vorbei. Schlecht und tragisch für Ulrich Hoeneß, dass es nie Monopoly war.

Dieser Text erschien auf der Dritten Seite.

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