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Ein ausgebrannter Tanklaster nach dem Angriff. Über 90 Menschen starben dabei.

© dpa

Prozess um Schadenersatz: Videos bringen keine Klarheit in Tanklaster-Angriff

Die Hinterbliebenen der zivilen Opfer des Angriffs auf zwei Tanklaster in Afghanistan im Jahr 2009 wollen höhere Entschädigungszahlungen von Deutschland. Nun wird vor Gericht versucht, die Umstände aufzuklären.

Die Umstände des tödlichen Bombardements von Kundus in Afghanistan bleiben auch nach erstmals öffentlich vor Gericht gezeigten Videoaufnahmen strittig. Im Prozess um Schadenersatzklagen gegen die Bundesrepublik Deutschland sahen sich die Klägeranwälte am Mittwoch in ihrer Auffassung bestätigt, dass erkennbar viele Zivilisten bei den zwei angegriffenen Tankwagen waren und der Luftschlag deshalb nicht hätte befohlen werden dürfen.

Der Anwalt des Bundesverteidigungsministeriums sprach von einem „diffusen Bild“, das auf den Aufnahmen aus US-Kampfjets zu sehen sei. Es sei keinesfalls erkennbar, dass die Zivilbevölkerung „involviert“ gewesen sei.

Hinterbliebene des Tanklaster-Angriffs fordern Schadenersatz

Das Bonner Landgericht, das die Infrarot-Aufnahmen über das Geschehen bei den Tankwagen vor dem Bombenabwurf sichtete, will am 11. Dezember eine Entscheidung über das weitere Vorgehen in diesem ersten Prozess um Schadenersatzklagen verkünden. Hinterbliebene ziviler Todesopfer wollen von der Bundesrepublik höhere Entschädigungszahlungen, da der damals zuständige Bundeswehr-Kommandeur Georg Klein falsch gehandelt habe. Der Oberst sah Taliban („Aufständische“) am Werk und stützte sich auf einen Informanten, der nach Darstellung des Ministeriumsanwalts „verlässlich“ und von „höchster Glaubwürdigkeit“ gewesen sei.

Bei dem von Klein angeordneten folgenschweren Angriff auf die beiden von Taliban-Kämpfern gekaperten Tankwagen kamen am 4. September 2009 mindestens 91 Menschen ums Leben, darunter zahlreiche Zivilisten. Nach Funkprotokollen, die das Gericht auswertete, zogen die US-Piloten zunächst eine „Show of Force“ (Zeigen von Stärke) mit Tiefflügen in Betracht. Dieses Ansinnen wurde aber von deutscher Seite abgelehnt, die das direkte Bombardement anordnete.

Gericht prüft Verhalten von Oberst Klein

Das Gericht will weiter prüfen, ob ein schuldhafter Verstoß Kleins gegen Amtsverpflichtungen zum Schutz der Zivilbevölkerung vorgelegen hat. Wenn es Anhaltspunkte für eine hinreichende Verantwortung Kleins gebe, sei eine Haftung durch die Bundesrepublik möglich, sagte Richter Heinz Sonnenberger. Dann werde die Beweisaufnahme mit Zeugen fortgeführt. Die andere Möglichkeit sei eine Abweisung der Entschädigungsklage.

Der Anwalt des Verteidigungsministeriums lehnte erneut eine außergerichtliche Einigung mit der Einwilligung auf eine höhere Entschädigungszahlung ab. Es gehe um eine rechtliche Klärung, ob ein Bundeswehr-Oberst bei einem Nato-Einsatz haftbar sein könne. Nach Angaben des Verteidigungsministeriums wurden als humanitäre Leistung bereits 90 Mal je 5000 US-Dollar (rund 3800 Euro) an afghanische Familien gezahlt - insgesamt etwa 350 000 Euro. Klägeranwalt Karim Popal hat eine Gesamtentschädigung von 3,3 Millionen Euro gefordert.

Popal sagte der Nachrichtenagentur dpa: „Die Videoaufnahmen bei den beiden Tanklastwagen haben gezeigt, dass sich dort unorganisiert Menschen aus den umliegenden Dörfern versammelten und nicht etwa hundert Taliban.“ Auch für das rund sieben Kilometer entfernt gelegene deutsche Feldlager Kundus habe es keine unmittelbare Gefahr gegeben. „Der Einsatzbefehl war fehlerhaft.“ (dpa)

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