zum Hauptinhalt
Hat sich verzockt: Uli Hoeneß.

© dpa

Prozess wegen Steuerhinterziehung: Präsident des FC Bayern droht Haftstrafe

Der Prozess gegen Uli Hoeneß wegen Steuerhinterziehung hat begonnen. Der Präsident des FC Bayern braucht das Adrenalin. Leidenschaftlich war er aber nicht nur beim Fußball – sondern auch beim Zocken.

Sommer 2003. Es ist ein großes Interview mit Uli Hoeneß, damals noch Manager des FC Bayern München, vereinbart. Drei, vier, fünf Stunden sind veranschlagt, der Manager nimmt sich also Zeit. Auf einem Golfplatz in der Nähe von München findet das Gespräch statt. Man muss dazu wissen, dass Hoeneß ein leidenschaftlicher Mensch ist. Erst war er leidenschaftlicher Metzgersohn in der Heimatstadt Ulm, da aber auch schon in erster Linie leidenschaftlicher Fußballspieler. Später wurde er, der Schwabe, leidenschaftlicher Bayer, besser gesagt leidenschaftlicher FC Bayer. Und inzwischen ist er eben auch leidenschaftlicher Golfspieler, und, wie Wolfgang Dremmler, ehemaliger Mitspieler auf dem Fußballplatz, heute Talentscout im Klub und am Tag des Interviews Golfpartner, am späten Nachmittag nach dem 18. Loch sagt, „ein brutal ehrlicher Mensch“.

Es ist nicht so, dass Hoeneß zwischen den Schlägen, zwischen den Fragen und Antworten unaufmerksam wäre. Wahrlich nicht. Er lässt sich ein auf das Spiel, lässt sich ein auf die Fragen, überlegt sich seine Antworten. Die sind wahrscheinlich tatsächlich brutal ehrlich, und wenn er etwas nicht benennen kann, will, darf, sagt er, dass er dazu jetzt nichts sagen kann, es sei denn, er müsse lügen. Oder er antwortet, schränkt aber gleich ein, „das ist jetzt nur für Sie, nur für den Hinterkopf“.

Es ist aber auch so, dass Uli Hoeneß zwischen den Abschlägen und den Puts, zwischen Fragen und Antworten immer wieder einen Pager herausholt, so einen visitenkartengroßen Kasten, auf dem er herumdrückt.

„Herrgott, Herr Hoeneß, das ist ja eine Sucht.“

Ein unbotmäßiger Zocker

Hoeneß hebt kurz den Kopf, lächelt, sagt „ach, das ist eine Spielerei“, greift dann zum nächsten Eisen, treibt den Golfball weit über das Feld, ist zufrieden, dreht sich um zum Interviewer und erzählt ausführlich und wahrscheinlich wahrheitsgetreu, wie es ihm damals ergangen ist nach dem Absturz eines kleinen Privatfliegers bei Hannover, den er als Einziger von fünf Personen überlebt hat. Das war am 17. Februar 1982. „Danach habe ich mich für unfehlbar gehalten, unschlagbar, danach habe ich angefangen, Aktien zu kaufen.“ Und dann, gut 20 Jahre später auf dem Golfplatz in der Nähe von München, piept wieder der Pager.

„Ich habe gerade 80 000 gemacht“, sagt Hoeneß. Vielleicht hat er auch 40 000 gesagt, so genau ist das nicht mehr erinnerlich, vielleicht hat er irgendeine Summe auch gerade verloren. Fest steht nur, dass Ulrich Hoeneß ein Zocker ist. Seit vielen Jahren. Und auch, dass er offensichtlich für viele Jahre ein unbotmäßiger Zocker war. Blind gegenüber der Realität und blind auch auf dem Gesetzesauge.

Das wird ihm nun zum Verhängnis.

Am Montag um zehn Uhr beginnt vor dem Landgericht München II unter dem Aktenzeichen AZ 68 Js 3284/13 der Prozess gegen Ulrich Hoeneß wegen Steuerhinterziehung. Darin soll und wird wohl auch unter Vorsitz des als streng geltenden Richters Rupert Heindl geklärt werden, in welchem Maße Uli Hoeneß steuerpflichtige Spekulationsgewinne auf einem Konto der Schweizer Bank Vontobel gebunkert hat.

Im schlimmsten Fall droht Haft

Das Maß ist für Hoeneß von erheblicher Bedeutung. Hat er beim deutschen Staat die 3,5 Millionen Euro Steuerschuld, wie die „Süddeutsche Zeitung“ recherchiert hat? Dann müsste er nach Maßgabe des Bundesgerichtshofes, der Haft ab einer Steuerschuld von einer Million Euro festgelegt hat, geraume Zeit, maximal zehn Jahre, hinter Gitter. Oder sind es doch die in diesen Finanzwelten überschaubaren 800 000 Euro bis 900 000 Euro, die sich nach Abzug irgendwelcher clever zusammengetüftelter Verjährungsfristen ergeben? Dann könnte er mit einer Bewährungsstrafe davonkommen. Plus einem öffentlichen Aufschrei, der eine Zwei-Klassen-Justiz wittert, einen Prominenten-Bonus ausgemacht hat und über Mauscheleien von denen da ganz oben mutmaßt.

Und geklärt werden muss auch, ob die Selbstanzeige, die Hoeneß am 17. Januar 2013 bei der Bußgeld- und Strafsachenstelle in Rosenheim erstattet hat, ausreichend war und wirksam ist im Sinne einer strafmindernden Wirkung. Zeitlich war der Selbstanzeige eine journalistische Recherche des Hamburger Magazins „Stern“ vorausgegangen, in der bei Vontobel nachgefragt wurde, was es mit dem Konto eines hohen deutschen Fußballfunktionärs auf sich habe. Publiziert wurde die Geschichte auf der Online-Seite des Magazins am 16. Januar, einen Tag vor der Selbstanzeige. „Zufall“, sagt Hoeneß dazu.

Das Motiv für die Selbstanzeige

Kann sein, kann nicht sein. Sicher ist, dass Hoeneß auf das Steuerabkommen zwischen Deutschland und der Schweiz spekuliert hatte, das eine Nachversteuerung geheimer Gelder auf Schweizer Konten gegen Straffreiheit vorsah. Das aber scheiterte im November 2013 im Bundesrat am Widerstand der Grünen und der SPD. Es ist also zu klären, ob Hoeneß mit dem Schnellschuss der Selbstanzeige tatsächlich sein Gewissen erleichtern wollte oder nur hektisch reagierte, weil ihm die Fahnder schon auf den Fersen waren.

In diesem Zusammenhang ein Histörchen am Rande: Mit Frühwarnsystemen hat auch schon mal ein anderer Bayer gute Erfahrung gemacht. Der spielte dann nach einem vermeintlichen Tipp aus dem bayerischen Innenministerium flugs bei Cosmos New York, hieß und heißt Franz Beckenbauer, ist bayerische Persona non grata und hat heute Wohnsitz in Kitzbühl. Das aber wirklich nur am Rande.

Warum dieses gefährliche Spiel?

Vor Gericht wohl nicht geklärt, und wenn nur durch ein psychologisches Gutachten, wird die Frage werden, wie einer der einflussreichsten, wenn nicht der einflussreichste deutsche Sportfunktionär, auf jeden Fall der erfolgreichste deutsche Sportfunktionär, derart ins Schleudern geraten konnte. Für die Integrität von Uli Hoeneß hätten wohl 99,9 Prozent der Menschen, die ihn persönlich kennengelernt haben, gleich beide Hände ins Feuer gelegt (übrigens auch der Autor dieser Zeilen, der hätte auch noch die Füße dazugepackt). Warum also dieses gefährliche Spiel gegen die eigene Reputation?

Hoeneß hat nie ein Protzleben geführt, hat keine Jacht, fährt keinen Hummer, wie manch Spieler, hat jahrzehntelang in einem Reihenhaus in Ottobrunn gelebt, und die Villa im Bauernhausstil, die sich die Familie vor einigen Jahren oberhalb von Bad Wiessee zugelegt hat, zeugt eher vom Blick für die Natur über dem Tegernsee, als von Prunksucht. Vor ein paar Jahren noch hätte man vielleicht seine Leidenschaft fürs Golfen als Reminiszenz an Neureichtum werten können. Aber Golf ist ja nun auch nicht mehr, was es war, auf jeden Fall nicht mehr verpönt und kein Charakteristikum der Schickeria mehr.

Und den Kick, den Thrill, den genießt doch einer wie Hoeneß in vollen Zügen, allein schon durchs legale Börsenspiel, vor allem durch die bei aller vorausschauenden Planung immer noch existierende Unwägbarkeit des Fußballs.

Fußball, Würste und die Börse

Ist es Gier? Hoeneß hat alles. Seine wirtschaftliche Basis hat er in dem Interview auf dem Golfplatz als dreibeinig bezeichnet. Da ist einmal die Säule, die er sich als überdurchschnittlicher Fußballspieler und geschickter Selbstvermarkter aufgebaut hat. Diese Säule hat er stabilisiert mit einem gewiss nicht zu knapp bemessenen Gehalt als Manager. Was heute als Salär wegfällt, da er als Präsident des FC Bayern ehrenamtlich tätig ist, dafür heißt es heute Aufwandsentschädigung.

Die zweite Säule bildet die Nürnberger Fabrik, in der er Würste produziert, die er „Original Nürnberger Rostbratwürste“ nennen darf und en gros an die Discounter der Republik verkauft.

„Das dritte Bein ist die Börse“, sagte er damals auf dem Golfplatz. Diesem Bein hat er gerade selber einen komplizierten Bruch zugezogen. Ohne Not. Uli Hoeneß, wer hätte das gedacht, hat sich verspekuliert.

Ist in diesem ernsten Thema noch eine abschließende Schmonzette aus der Welt des vermeintlichen Aktiengurus Hoeneß gestattet? Damals, ein paar Wochen nach dem Treffen auf dem Golfplatz, sollte eine kleine Summe angesparten Geldes des Kindes besser angelegt werden als bei der Sparkasse. Hoeneß empfahl im Brustton der Überzeugung und darin damals Schauspieler Manfred Krug nicht unähnlich „Telekom“. Zum Glück war der Tipp nicht überzeugend genug, die Geschichte der Aktie ist Geschichte.

Spätestens ab Montag, zehn Uhr, wird wohl auch Uli Hoeneß zur Erkenntnis kommen, besser die Finger von der Börse zu lassen.

Zur Startseite