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Das damalige Ehepaar Wulff.

© dpa

Prozessbeginn gegen Christian Wulff: Welche Rolle spielten die Medien in der Affäre?

Am Donnerstag beginnt der Prozess gegen den ehemaligen Bundespräsidenten Christian Wulff. Der sieht sich als Medien-Opfer. Zu Recht?

Wenn ein Politiker schlechte Presse bekommt, steht aus dessen Sicht mindestens ein Schuldiger fest: Die Presse. Die meisten meinen es, die wenigsten sagen es. Denn ein Lamento über die Medien gilt als unfein; souverän ist, wer aushält, was über ihn geschrieben steht.

Dennoch sieht sich Christian Wulff auch als ein Opfer der Medien, und dafür hat er Gründe. Die Dynamik der Berichterstattung hat in seinem Fall eine entscheidende Rolle gespielt. Waren es anfangs noch Vorwürfe, zur Hauskreditaffäre im niedersächsischen Landtag nur die halbe Wahrheit gesagt zu haben, so wurden bald Wulffs Bekanntschaften auf unerlaubte Zuwendungen an den Politiker durchleuchtet. Zum moralischen Vorwurf gesellte sich ein strafrechtlicher – in Demokratien das schärfste Instrument, um jemanden auszugrenzen. Zwischen Medien und Strafverfolgern ergab sich damit ein unausgesprochenes Zusammenspiel. Ohne konkreten Verdacht durften die Ermittler nicht ermitteln. Aber die Medien durften. Also ermittelten sie, und die Strafverfolger werteten es aus. Mancher mag darin eine „Hetzjagd“ sehen. Tatsächlich jedoch konnten die Staatsanwälte die Berichte nicht ignorieren, zumal sich bei ihnen Anzeigen häuften.

Christian Wulff wurde angegriffen, weil er angreifbar war

Es war bald klar, dass Wulff die Affäre durchstehen will – solange er nicht förmlich zum Beschuldigten in einem Ermittlungsverfahren erklärt würde. Doch dieser Wendepunkt kam, wieder aufgrund von Presseberichten. Es hieß, Filmproduzent David Groenewold sei auf Sylt aufgetaucht und habe Belege für einen Kurzurlaub herausgefordert, den er für Wulff gebucht habe. Für die Ermittler klang das nach Vertuschung. Groenewolds Anwälte klagten erfolgreich gegen die Berichte, auch habe Wulff den verauslagten Betrag sogleich in bar beglichen. Doch es stimmte eben auch, dass der Unternehmer auf dem Höhepunkt der Affäre meinte, Hotelangestellte vor Ort um Diskretion bitten zu müssen und ihm Kopien auszuhändigen – so erzählte es jedenfalls sein Anwalt. Wenn es keine Vertuschung war, so doch ein Bärendienst für den Freund, der nun endgültig im Visier der Strafverfolger stand und sich dadurch zum Rücktritt gezwungen sah.

Hätte es auch ohne diesen Vorfall ein Ermittlungsverfahren gegeben? Wahrscheinlich ja. Die Hannoveraner Behörden handelten eher spät als früh. Zu allen Anfragen hatte man sich in den ersten Wochen der Affäre ein Sprüchlein zurechtgelegt: Die bisher erhobenen Vorwürfe begründeten keinen Anfangsverdacht. Die Schwelle lag hoch. Den Beamten dürfte klar gewesen sein, dass sie Wulffs Präsidentschaft mit Einleiten des Verfahrens und einem Antrag auf Aufhebung seiner Immunität beenden würden. Es war dann, Mitte Februar, „nach umfassender Prüfung neuer Unterlagen und der Auswertung weiterer Medienberichte“ doch so weit. Man kann es Wulff nicht verdenken, dass er sich ausgeliefert fühlte. Aber angegriffen wurde er, weil er angreifbar war.

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